Der feuchte Smog verstärkt die bleichen Sonnenstrahlen mit der geballten Kraft Myriaden winzig kleiner Lupen. Ich schwitze, als ich durch die engen und überfüllten Gassen der namenlosen Stadt am Rande der Welt laufe. Fremde Gerüche kitzeln meine Nase, verführerische wie abstoßende, verheißungsvolle und verdorbene. Farbenfroh gekleidete Händler hocken wie dicke Spinnen in ihren kleinen Läden und warten auf unachtsame Kunden. Der Lärm eines Ortes, an dem sich viel zu viele Lebewesen gleichzeitig aufhalten, dröhnt in meinen Ohren und meine Sinne verwirren sich in einem kollektiven Aufseufzer zu einem unauflösbarem Knäul.
Verwirrt blicke ich mich um. Wenn die alte Besitzerin des kleinen Hostels am Stadtrand, in das ich mich für ein paar Tage eingemietet habe, richtig liegt, müsste ich eigentlich kurz vor meinem Ziel sein. Mir ist, als hörte ich schon die leise Musik durch das Raunen der Stadt. Das Pochen eines fernen Basses, einem Herzschlag gleich. Jemand hat unzählige bunte Stofffetzen an zwischen den Häuserschluchten gespannten Schnüren aufgehängt. Wie ein zerhackter Regenbogen baumeln sie träge in der schwülen Luft.
Schließlich erreiche ich den Platz. Eine sphärische Melodie summt durch den Äther und durchweicht meine Gehörgänge. Frauen in langen, fließenden Gewändern bewegen sich mit klimpernden Fußkettchen wie vom Wind erfasstes, buntes Laub über das grobe Steinpflaster. Männer allen Alters und jeder Statur entlocken seltsamen Saiteninstrumenten fremdartige Geräusche und trommeln auf Pauken und Cajones einen kraftvollen gemeinsamen Rhythmus.
Und inmitten dieser kaskadierenden Andersartigkeit steht sie.
Wir sind zwei Fremde, inmitten des Nirgendwo, am Ende allen Seins.
Wenn ich eines niemals vergessen werde, dann sind es ihre Augen. Sie blickten mich an, so unergründlich und klar wie ein kühler Bergsee, so einnehmend und lustvoll wie ein perfekt geschliffener Edelstein, so fordernd und gefährlich wie ein implodierender Vulkan.
Ihre langen, schwarzen Haare fließen über ihre bloßen Schultern, das schlichte Kleid schmiegt sich an ihren Körper und verbirgt unmotiviert ihre einladend weiblichen Rundungen. Wir trinken kühles Bier und küssen uns irgendwann. Ich weiß nicht mehr welche Worte dazu geführt haben, welche Gesten, wer den ersten Schritt gemacht hat. Sie heißt Bahija, ihre Küsse sind prickelnd und feurig, sie fordert mich, ich folge.
Ich wollte das Vergessen suchen und habe die Leidenschaft gefunden.
Am nächsten Tag treffen wir uns wieder. In einem kleinen Kaffee etwas abseits des Trubels dieser niemals schlafenden Stadt. Während die Menschen ihrem Tagwerk nachgehen, fluchen, feilschen, brüllen und tuscheln, braucht es zwischen uns nicht viele Worte um zu erkennen, dass wir dieselbe Welle reiten. Und so liegen wir wenig später in einer kleinen Bucht im Schatten schlingpflanzenbefallener Palmen und lieben uns nackt im warmen Sand.
Ihre Haut schmeckt salzig und was sich beim Küssen gestern Abend abzeichnete, setzt sich heute fort: sie fordert.
Sie führt.
Zieht ihr Verlangen und ihre Lust daraus, mir welche zu bereiten. Immer wieder stößt sie mich nach hinten, gebietet mir still zu halten und erforscht meinen Körper. Ihre Hände, ihre Zunge scheinen überall gleichzeitig zu sein, und immer dann, wenn die Lust mich beinahe zu überwältigen droht, erlöst sie mich, indem ich ihre weichen, vollen Lippen wieder auf den meinen spüre und sich ihr Becken auf meinen Schoß senkt.
Und als sie später erschöpft auf meiner Brust liegt, ihr duftendes Haar meine Nase kitzelt und ich ihren Herzschlag durch ihren schöneren, warmen Busen spüre, wünsche ich mir, dass diese Augenblicke niemals enden und meine Reise hier zu Ende ist.
Doch die Dämonen, die mich verfolgen, finden mich immer, nicht sofort, aber zuverlässig. Und noch habe ich nicht Waffen und Fähigkeiten, sie dauerhaft zu schlagen.
Ich höre und rieche ihn schon ehe ich ihn sehen kann. Ein schabendes Geräusch, als würde jemand Knochen mit einem stumpfen Messer zerschneiden, begleitet von einem süßlichen, durchdringenden Gestank. Ich stoße Bahija von mir, schreie und flehe sie an, wegzulaufen. Natürlich möchte sie mir im Kampf gegen das Ungetüm, das sich dort aus dem Gestrüpp schält und hämisch zischelt, beistehen, doch das lassen weder mein Stolz noch meine Angst zu und schließlich gibt sie nach und flieht vor dem Monster.
Ich hingegen drehe mich um und stelle mich dem Scheusal, das sich geifernd vor mir aufbaut. Seine öligen Schuppen hinterlassen eine schwarze Spur im weißen Sand, Geifer tropft von seinen fauligen Fängen und bohrt sich zischend in den Strand. Nackt wie ich bin habe ich keine Waffe, um mich seiner zu erwehren, doch dem Dämon liegt nichts daran mich zu töten.
Noch nicht.
Aus kleinen, bösen Augen stiert er mich hämisch an und seine Fratze verzieht sich zu einem bösen Lächeln.
Schritt um Schritt weiche ich zurück und als der Dämon plötzlich zögert und sein Lachen gefriert, erinnere ich mich an eine alte Jägerregel. Mit den Zehen tastend, das Biest keine Sekunde aus den Augen lassend, weiche ich noch ein wenig zurück und tatsächlich: plötzlich umspült kühles Meerwasser meinen Fuß. Ich hole kräftig aus schleudere dem Alb eine Ladung Sand und Wasser entgegen. Als das Salz ihn berührt, kreischt er schmerzerfüllt auf, windet sich und tobt und als ich nicht ablasse, ihn nun auch mit vollen Händen zu benässen, tritt er tobend und fauchend den Rückzug an. Das Salz hat schwärende Wunden in seine Rüstung geschlagen und ich weiß, dass der Dämon sich davon so schnell nicht erholen wird. Erschöpft sinke ich den Sand und blicke in die Richtung, in die Bahija davongelaufen ist. Mir fehlt der Mut, ihr zu folgen, denn zu jener Zeit war ich noch der Meinung, dass ich sie nur so vor den Dämonen beschützen könnte.
Ich sollte erst sehr viel später, in einem bescheidenem kleinen Tempel, ziemlich genau am anderen Ende der Welt, erfahren, welche Kräfte in mir schlummerten und dass ich meinen Schlachten nicht alleine schlagen musste.
Was ich hier an diesem Ort gesucht habe, habe ich nicht gefunden. Aber ohne es damals zu ahnen, war dies der Ausgangspunkt einer wundersamen Reise, die mich durch viele Kontinente schließlich zu mir selbst führen sollte.
Und obwohl ich Bahija nie wieder getroffen habe, träume ich noch heute von ihrer sanften Berührung, ihrem Duft und ihrem Lächeln.
Und ihren Augen, die sich tief in meine Seele eingebrannt haben.
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