Der Single-Höhlenmensch Reloaded

21. 11. 2024 | Die Welt, einfach erklärt, Literarisches | 0 Kommentare

Einer meiner ersten Blog-Beiträge im Mardermolch (ja liebe Kinder, bevor es TikTok und das moderne Internet gab, haben wir Alten unsere Gedanken auf derart altmodische Weise festgehalten…) handelte damals vom Single-Höhlenmensch. Knapp 20 Jahre ist das her und eigentlich könnte ich den Text heute ohne Änderungen nochmal veröffentlichen, denn er ist, zumindest was mich betrifft, keinen Tag gealtert.
Aber weil das langweilig wäre und ich gerade das Bedürfnis verspüre, nach langer Zeit endlich mal wieder etwas zu digitalem Papier zu bringen, schreibe ich eine Fortsetzung. Der Single-Höhlenmensch Reloaded, quasi.
Mein Liebesleben gleicht einer Sinuskurve. Zumindest in der Retroperspektive betrachtet ist das unbestreitbar. Mit Mathe hatte ich es nie, aber ich meine mich zu entsinnen, dass der Punkt, an dem ich mich im Augenblick gerade wieder befinde, „Tal“ genannt wird. Vielleicht auch etwas hinter dem Tal, Phase I des Singlehöhlenmenschen-Daseins habe ich schon hinter mir.
Eines muss ich noch vorausschicken, während ich diese Zeilen tippe, schneit es. Und ich habe bereits die Hälfte meiner Weihnachtsdekoration aufgebaut und auch noch Räucherstäbchen an. Ich befinde mich also in einem für mich in dieser Jahreszeit typischen Zustand von beziehungstechnischer Dissonanz. Heißt aktuell: eigentlich bin ich mir meines Schwures, dass es das jetzt aber wirklich und endgültig war mit der holden Damenwelt (mehrfach betrunken und nüchtern gen Nachthimmel gebrüllt) noch sehr gewahr, aber andererseits… was schadet ein bisschen Zweisamkeit, ein kleiner Austausch, die ein oder andere gemeinsame Unternehmung und überhaupt ist Freude doch angeblich das Einzige, was mehr wird, wenn man es teilt? Und zusammen ist man weniger allein? Vor allem wenn’s draußen schneit und die Kerzen brennen?

Aber woher dieses bestenfalls weibliche Gegenüber nehmen? Vor allem ich, der die Jagd in freier Wildbahn verabscheut?

Nun, das Internet hat ja nicht nur TikTok, völlig entgleiste Schönheitsideale von Schlauchbootlippen und tätowierten Augenbrauen und schließlich Shirin David geboren, sondern auch solche im Kerngedanken durchaus vielversprechenden Errungenschaften hervorgebracht wie das Onlinedating. Und dann kann es sein, dass, ich beton’s gern nochmal, wenn der Schnee so ganz romantisch runterflockt und die Yankee Candle penetrant nach Bratapfel duftet, ich mich vielleicht doch wieder hab hinreißen lassen, Tinder zu installieren. Hat doch auch beim letzten Mal vor 7 Jahren geklappt, zunächst mit ein paar amourösen Abenteuern und dann sogar mit der Liebe.
Nun.
Was soll ich sagen.
Ich verspüre ein bisschen den Drang, meine jüngsten Ekenntnisse zu teilen. Als Mahnung an alle Vergebenen da draußen, sich verdammt noch mal mehr in ihren Beziehungen anzustrengen und die Arschbacken zusammenzukneifen, denn Ihr wollt nicht mit über 40 Jahren nochmal Tinder installieren müssen.
Das schon mal vorweg.
42 ist ein ungutes Alter für die Partnersuche. Zumindest wenn man(n), so wie ich, wenig mit geschiedenen und mit Nachwuchs gesegneten Damen anfangen kann. Denn denen begegnet man(n) in dieser Altersklasse auf dem Singlemarkt naturgemäß gehäuft. Das ist halt die Zeit im Leben, in der bei vielen der Traum von Heirat/Kinder/Doppelhaushälfte geplatzt ist und man(n) (und frau) aber nicht mehr warten möchten, bis die Lendenfrüchte aus dem Gröbsten und dem Haus raus sind. Nun könnte ich natürlich auch nach jüngeren (oder älteren) Gefährtinnen Ausschau halten, aber für ersteres hab ich keine Nerven mehr und zweiteres, nun, jedem seinen Fetisch, meiner ist es nicht. Nein, ich finde, um die 40 herum ist eine Frau eigentlich am attraktivsten, da hat sie bereits die schlimmsten Flusen hinter sich und (hoffentlich) eine gewisse Gelassenheit erlangt.
Wenn’s nach Tinder geht, gibt es in dieser Altersklasse aber nur 3 Phänotypen:

Nummer 1 ist besagter, meist geschiedener, aber mit Kindern gesegneter Fall. Oftmals ziemlich hübsch, aber für mich keine, wirklich gar keine Option. Sorry, die Damen, da bin ich raus. Irgendwo müssen ja auch die ganzen zwangsläufig entstanden, frischgeschiedenen Männer mit Nachwuchs sein, die brauchen auch neue Partner.

Nummer 2 hat keine Kinder, aber dafür einen Hund. Mich würde mal eine Statistik interessieren, die untersucht, wie viele Langzeitsingles sich mit einem Hund trösten. Ich tippe auf: mindestens jeder zweite. Und den Köter, von Taschenratte bis Kalb ist da alles dabei, datest Du dann immer gleich mit, um das klarzumachen, taucht er auf ihren Profilbildern auf, gerne auch als erstes Bild (vielleicht um Zoophile anzusprechen) und er wird demonstrativ geknutscht und abgeschmust. Alternativ zum Hund gibt’s auch Katze und Pferd und oftmals auch alle drei und in mehrfacher Ausführung. Ich musste mir einmal das Bett eines Tinderdates mit ihr und ihrem Schäferhund teilen. War eine einmalige Angelegenheit und seither habe ich diesbezüglich ein Trauma.

Nummer 3 sind die Extremsportlerinnen. Eine Freundin hat mir erzählt, dass die heilige Dreifaltigkeit bei Männerprofilen auf Tinder das Oben-Ohne-Bild, das Foto vor dem Sportwagen und das Lügen um die eigene Körpergröße sei. Bei den Frauen des Typs 3 ist es Klettern im Hochgebirge, die Skitour und das Rennrad. Und überhaupt: die Berge. Es mag an dem Radius liegen, in dem ich wildere, aber wenn’s nach Tinder geht, müssten unsere Berge eigentlich vor lauter Singledamen platzen. Alle wandern sie, machen Selfies vor Almen und Kühen und kraxeln auf Gipfelkreuze. Als Nichtskifahrer gewinne ich da im Winter natürlich auch keinen Blumentopf und als jemand, der seine Sonntage lieber auf der Couch als im Hochgebirge verbringt, vermutlich auch das restliche Jahr über nicht.

Was mir fehlt und was auch der Grund ist, warum ich Tinder nach einer Reihe missglückter Feldversuche wieder gelöscht habe, wäre eine Nummer 4, die es irgendwie in mein Alter geschafft hat, ohne dem Fortpflanzungsdrang zu erliegen und es genauso eklig wie ich findet, einem Hund über die Nase zu lecken, die sich nicht nur spürt, wenn sie sich eine schwarze Piste runterbrettert und die wie ich findet, dass Shirin Davids Gesicht wie ein Schlauchboot kurz vorm Platzen aussieht und sich darüber genauso beömmeln kann wie ich. Ach ja, flockigen Schnee (von drinnen in eine Decke gemummelt) und Kerzen-Gutfinden wäre auch nett.

Wenn es diesen Typ Frau gibt, dann hält ihn das Universum bisher noch vor mir versteckt.
Bei seinem verqueren Humor begegnet sie mir wahrscheinlich eines Tages beim Wandern.

 

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