Die Legende von Fazilaq – Teil 1

11. 03. 2014 | Literarisches | 2 Kommentare

Dies sind die Abenteuer des Citafen Fazilaq, einem bayrischem Krieger, der lieber ein Bauer sein möchte und auf dem Weg zu seiner Bestimmung spannende Abenteuer in einer bayrischen Sagenwelt erlebt.

Teil 1: Eine verheißungsvolle Queste

Fazilaq zog nachdenklich am Träger seiner alten Lederhose und beobachtete die halbnackte, verführerische Elfe, die da vor ihm saß und ihn herausfordernd anstierte. Seine andere Hand ruhte auf der martialischen Axt, die auf den Tisch lag und nichts weiter tat, als bedrohlich auszusehen. Es war eine alte Axt aus gutem Stahl mit nur wenigen Kerben. Der Griff bestand aus dem Horn eines liederlichen Wolpertingers und obwohl diese Spezies in Bayern seit geraumer Zeit zu den anerkannten Völkern gehörte, erinnerte er Fazilaq oft genug an die grausame Zeit vor dem großen Zusammenschluss. Daran mochte der Krieger jetzt aber nicht denken. Zu schön war die Idylle des alten Gasthauses, zu lieblich der Gesang der Vögel in den Kastanienbäumen über dem Biergarten. Angenehm war auch der Anblick der Waldläuferin, die ihn hierher bestellt hatte, um ihn für eine Queste anzuheuern. Die Sonne spitzelte durch das Blattwerk, schien dem Krieger auf den kahlpolierten Schädel und der Elfe auf ihre prallen Brüste.

Alles an ihr war einladend geformt, die langen Beine mit den Schmuckbändern und der mit ihren Stammesrunen tätowierte, nackte Bauch. Ihre schmalen Schultern, die mit den für die Waldelfen typischen Mahlen übersäht waren, die sie wie eine Leopardin aussehen ließ. Der Schurz ihrer Tracht war knapp und die Clanfarbe hatter Fazilaq noch nie zuvor gesehen. Der Krieger nahm einen tiefen Schluck aus seiner Biermaß und wischte sich mit dem Handrücken den Schaum vom Mund. In den großen Augen der Elfe glomm mühsam unterdrückter Zorn und Ungeduld, doch Fazilaq eilte es nicht. Die Zeit hatte ihm die Gemütsruhe einer uralten Kiefer, deren verwirrter Holzfäller sich selbst mit seinem Beil den Schädel gespalten hatte, ausgestattet.
Die Waldläuferin strich sich eine Strähne ihres schwarzen Haares aus dem Gesicht und fragte zum zweiten Mal:
„Nun? Was sagt Ihr?“
Sie hatte keinen erkennbaren Dialekt, anders als Fazilaq, dessen tiefbayrische Abstammung aus jedem seiner Worte troff wie der Most aus den überreifen Äpfeln der Rabensteiner Kelterer.
Es kam allerdings selten vor dass Fazilaq sprach.
Der Krieger war müde. Er sehnte sich nach einem kleinen Gehöft in den Alpen, mit ein paar Rindern und Schafen und einer Frau an der Seite. Einer Frau wie der Elfe vor ihm. Er würde den ganzen Tag den Pflichten seiner Landwirtschaft nachgehen und wenn diese Arbeit getan war wollte er seinen Pflichten als Ehemann nachkommen. Und letzteres sehr ausdauernd, seine lebhafte Phantasie hatte ihm diesbezüglich so manch feuchten Traum beschert, wenn er einsam in kalten Nächten in der Wildnis kampieren musste. Doch das Gehöft konnte er sich noch nicht leisten und die dazugehörige Frau hatte er auch noch nicht gefunden.
Er seufzte.
„Ihr kennt meinen Preis.“
„Ja. Aber ich kann Euch nur eine Anzahlung leisten.“
„Das ist nicht genug. Ich verlange meinen Lohn im Voraus.“
„Ich weiß, aber ich verspreche Euch, dass ich Euch am Ziel unserer Reise mehr als gerecht entlohnen werde! Und wenn es sich ergibt, schon währenddessen.“
Bei diesen Worten schenkte ihm die Elfe ein verheißungsvolles Lächeln und gewährte ihm kurzen Einblick in fiebrig-schwüle Visionen voller schmutziger Fantasien. Fazilaq wurde es eng in seiner Lederhose und er wusste, dass er dieses Spiel schon verloren hatte bevor es überhaupt begann. Wie oft war er schönen Frauen bereits erlegen? Auch die Waldläuferin hatte ihn an der Angel. Er kratzte sich zwischen seinen Hörnern und antwortete:
„Also gut. Aber ich reiße Euch die langen Ohren aus wenn Ihr mich hintergeht. Wo finden wir Euren Bruder?“
„Wir müssen ins Sinnsteingebirge, zum Lorenjoch. Von dort hat er sein letztes Lebenszeichen gesendet.“
„Ihr wisst, dass dies eine Reise von gut drei Wochen bedeutet, das meiste davon zu Fuß?“
„Natürlich weiß ich das. Haltet mich nicht für naiv, Citaf. Ich kenne die Gefahren sehr gut. Was glaubt Ihr, warum ich einen wie Euch anheuere? Sicher nicht, weil mir nach angenehmer Gesellschaft ist.“
Fazilaq grinste. Das Feuer der Elfe gefiel ihm. Die Waldläuferin stand auf und streckte dem Krieger die zierliche Hand hin.
„Also abgemacht?“ fragte sie. „Werdet Ihr mich begleiten?“
Fazilaq spuckte sich in die Rechte, einen ordentlichen Brocken grüngelben Speichels, und reichte sie der Elfe dar. Die ergriff seine Pranke ohne mit der Wimper zu zucken, schüttelte sie kurz und wischte sich ihre Hand dann am Tischtuch ab.
„Ich erwarte Euch in einer Stunde bei den Ställen.“ sagte sie und schwebte mit wiegenden Hüften von dannen.
Fazilaq blickte ihr nach, bestellte eine weitere Maß Bier und steckte sich seine Pfeife an. Wenn die Baumschmuserin ihn nicht anlog, war dies seine letzte Queste. Ihm war, als hörte er in der Ferne seine Ziegen und Rinder rufen.

Fazilaq wuchtete gerade den schweren Sattel auf seinen Moorhirschen, als die Elfe in die Stallungen schwebte. Der Moorhirsch quittierte das Gewicht des Jochs mit einem unwilligen Grunzer und Fazilaq tätschelte ihm den langen Hals.
„Ihr habt mir noch gar nicht Euren Namen genannt.“ sagte Fazilaq zur Elfe, die sich ebenfalls daran machte, ihr Reittier, einen prächtigen Auerhahn, zu satteln.
„Man ruft mich Qiikeqii-Sanguihhn, was in Eurer Sprache ‚Sonnentau‘ bedeutet. So könnt Ihr mich nennen, Citaf.“
Fazilaq drehte das Wort im Mund hin und her und beschloss, dass es gut zu seiner neuen Gefährtin passte. Er schnallte seine Axt hinter die Tasche mit seinen wenigen Habseligkeiten und stieg auf den Rücken des Hirschen. Von dort aus beobachtete er die Waldläuferin, wie sie ihren Bogen am Sattel festzurrte und sich dann die langen Haare geschickt und schnell zu einem Zopf zusammenflocht. Anmutig schwang sie sich in den Sattel und drehte sich zu Fazilaq:
„Seid Ihr soweit?“
„Stets zu Diensten, Teuerste.“
Die Elfe gab einen kurzen, trällernden Jodler von sich und der Auerhahn preschte davon, ließ nur eine Staubwolke und den Citaf auf seinem Moorhirschen zurück. Schließlich lächelte Fazilaq, gab seinem Tier die Sporen und ritt der Waldläuferin namens Sonnentau in gemächlichem Tempo hinterher.

Das Voralpenland, das sie durchquerten, präsentierte sich in überschwänglicher Pracht. Das Grün quoll aus dem Boden und die Luft sirrte vor angenehmer Hitze und fleißigen Insekten. Sie kamen an Almrauschfarmen vorbei, deren Bauern knietief in leuchtenden Blumengestrüppen standen und fröhlich winkten, als die beiden Reisenden an ihnen vorbeiritten. Sie passierten kleine, urige Dörfer voll quirligem Leben und freundlicher Bewohner. Fazilaq fühlte sich pudelwohl und es überraschte ihn jedesmal aufs Neue, wie euphorisch er noch am Anfang einer neuen Queste war. Er wusste, dass seine Stimmung schnell umkippen würde, doch noch ließ er sich die Laune nicht verderben. Vor ihm ritt die Elfe auf ihrem Auerhahn und er konnte sich, wenn er sich an der Umgebung satt gesehen hatte, an Sonnentaus wiegenden Rundungen erfreuen.

Sie hatten das letzte Dorf hinter sich gelassen und durchquerten bereits eine Weile eine unberührte Au entlang eines kleinen Baches, als sich das Unheil anbahnte. Fazilaq stopfte gerade Hanfkraut in seine Pfeife, als sie in einen kleinen Wald kamen. Nichts an ihm deutete auf das Ungemach hin. Vögel zwitscherten in den Bäumen, Blütenstaub brach die Sonnenstrahlen und dicke Bierkäfer surrten herum.
Hätte Fazilaq hinaufgesehen, hätte er vielleicht bemerkt, was dort in den Ästen lauerte.
Doch das tat Fazilaq nicht, sondern steckte sich genüsslich seine Pfeife an, paffte ein paar Mal und sog genießerisch den berauschenden Rauch ein. Im nächsten Moment stieß Sonnentau einen spitzen Schrei aus und wurde wie von Zauberhand nach oben gerissen. Und Fazilaq reagierte blitzschnell. In einer fließenden Bewegung sprang er vom Hirschen und zog seine Axt aus dem Halfter. Aus den Baumwipfeln vernahm er ein keckerndes Lachen. Sie waren in die Falle eines Gamsjockls getappt. Das affenartige Wesen mit dem Gamsbart auf dem Kopf hatte seinen dünnen, langen Schwanz vom Baum herunterhängen lassen und zu einer Schlinge geformt. Als die Elfe darunter hindurch geritten war, hatte der Gamsjockl sie eingefangen und nach oben gezogen ehe sie wusste wie ihr geschah. Als nächstes würde der Wipfelräuber der wehrlosen Elfe seinen giftigen Speichel ins Gesicht spucken, der sie augenblicklich bewusstlos und zu einer willkommenen Mahlzeit werden ließe. Doch der Gamsjockl hatte die Rechnung ohne Fazilaq gemacht. Der konnte den Grad seiner Wut binnen einer Sekunde auf den Siedepunkt kochen und mit gesenkten Hörner rammte er mit voller Wucht den Baum, auf dem der Jockl saß. Die Erschütterung war so stark und der Räuber so mit seinem Opfer beschäftigt, dass er den Halt verlor und ein Aststockwerk tiefer stürzte. Im allerletzten Moment konnte er sich noch mit seinen Krallen am nächsten Ast festhalten, doch die gefangene Sonnentau war somit in Fazilaqs Greifweite und er packte sie mitsamt dem Schwanz des Gamsjockls und zerrte das vor Schreck brüllende Wesen vom Baum. Fazilaq legte die Elfe unsanft auf dem Boden ab und wandte sich dann dem Jockl zu, der im selben Moment neben ihm auf den Waldboden klatschte. Der Citaf holte aus und trennte dem vom Sturz noch verwirrtem Wesen mit seiner Axt in nur einem Hieb den Kopf und einen großen Teil der Schulter ab. Dunkles Blut schoß aus den beiden zuckenden Hälften des zerteilten Gamsjockls und spritzte auf Fazilaq und Sonnentau.
Doch die Gefahr war gebannt.
Die Elfe atmete schwer und rappelte sich wieder auf.
„Citaf, Ihr habt Euch das erste Mal bewährt und damit bewiesen, dass Ihr Euren Ruf nicht umsonst führt. Ich verdanke Euch mein Leben.“
Fazilaq brummte nur, denn mit Lob konnte er nicht gut umgehen. Schließlich antwortete er: „Normalerweise hält sich dieses Pack nicht so nah an den Siedlungen auf, die kommen sonst nur im verschneiten Hochgebirge vor… Irgendetwas stimmt hier nicht.“
„Es zieht etwas herauf, Citaf. Und ich werde den Verdacht nicht los, dass es was mit meinem Bruder zu tun hat.“
„Dann lasst uns weiterziehen und ihn möglichst schnell finden.“
„Zuerst muss ich mich waschen. Ich fühle mich besudelt.“ Und tatsächlich sah die Elfe aus wie eine irre Todesfee, das Blut an ihr krustete bereits und auch Fazilaq fühlte sich unwohl.
„Wenn ich mich recht entsinne, müssen wir nur diesem Bachlauf folgen, nicht weit von hier gibt es einen Wasserfall, dort können wir baden.“

Etwas weiter oben fanden sie tatsächlich eine malerische Lichtung an einem Hang, von dem sich ein Wasserfall in einen klaren Teich ergoss, welcher wiederum den Bach, dem sie gefolgt waren, speiste. Fazilaq band seinen Hirschen an einem Baum fest und begann, die Umgebung zu untersuchen. Nach dem Vorfall mit dem Gamsjockl hatte er keine Lust auf weitere Überraschungen. Sonnentau hingegen hatte es so eilig, das Blut abzuwaschen, dass sie von ihrem Auerhahn sprang, sich umgehend all ihrer Kleider entledigte und splitterfasernackt in den Teich sprang. Fazilaq konnte einen kurzen Blick auf ihren makellosen Körper erhaschen ehe die Elfe ins Wasser eintauchte. Er setzte seine Untersuchung fort und kehrte schließlich zum Teich zurück, wo er unschlüssig am Rand stehen blieb.
„Was ist mit Euch, Citaf?“ fragte Sonnentau, während sie bis zu den Schultern im Wasser saß ihren Kilt schrubbte.
„Es macht Euch nichts aus, wenn ich mit Euch das Bad teile?“ antwortete Fazilaq verwundert.
„Warum sollte es? Ausserdem schätze ich eine saubere Reisebegleitung.“ sagte Sonnentau und lächelte.
Fazilaq zuckte mit den Schultern, streifte seine Weste ab, öffnete seine Lederhose und stieg in den Teich. Ihm entging nicht der bewundernde Blick Sonnentaus, den sie seinem stattlichem Gemächt schenkte. Doch die Elfe zog sich blitzschnell zur anderen Uferseite zurück, drehte ihren Rücken der Böschung zu und hob ein Bein aus dem Wasser mit dem sie Fazilaq auf Abstand hielt.
„Das ist weit genug, Citaf. Du bleibst in Deinem Teil des Teichs, ich in meinem!“ lachte sie und schwang die Arme über den Rand des Teiches, so dass ihre schönen Brüste durch die Wasseroberfläche brachen. Ein unergründbarer Blick stand ihr im Gesicht geschrieben, aber Fazilaq hatte keine Lust auf Spielchen. Er reinigte ebenfalls seine Kleidung und begnügte sich damit, die Elfe aus den Augenwinkeln zu betrachten.
Dann tat er es Sonnentau gleich, legte seine Sachen zum Trocknen in die Sonne und döste im kühlen Wasser vor sich hin.

Er musste eingenickt sein, denn ein Schatten im Gesicht weckte ihn. Er gehörte Sonnentau, die bereits wieder vollständig angezogen war und ihn mit ihrer Sandale zwischen die Schultern stieß. Fazilaq ärgerte sich dass er eingeschlafen war. Zum einen wegen des Risikos, immerhin konnte er sich nicht sicher sein, dass sich hier noch mehr Gamsjockls herumtrieben, zum andern weil er der Elfe gerne dabei zugesehen hätte, wie sie aus dem Teich stieg und sich anzog. Nun, die Gelegenheit war vorbei und so wuchtete er sich aus dem Wasser und zog sich unter den schamlosen Blicken Sonnentaus, die gar nicht daran dachte, taktvoll wegzublicken, an.

Dann holten sie ihre Reittiere und machten sich wieder auf den Weg in Richtung der Alpen.

Und in gebührendem Abstand, nahezu unsichtbar im Gebüsch verborgen, folgte den beiden Reisenden eine geduckte Gestalt.

2 Kommentare

  1. Kathrin

    Na, sympatisch ist der aber nicht. Kannst den nicht ein bisserl heldenhafter machen?

Schreib was dazu!

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