Wundersame Geschichten aus dem Reich der Mitte, Teil 2

20. 03. 2011 | Literarisches | 15 Kommentare

Wie ich einst mein Herz an eine Kirschblüte verlor, die jedoch einem Drachen gehörte.

Meine Wanderung führten mich durch fruchtige Landschaften, vorbei an friedlich in der Sonne glitzernden, glasklaren und eiskalten Seen, an Tempeln voller erlesener Kunst, durch Dörfer herzlichster Gastfreundschaft. Ich war eine Zeit lang gewandert und gelangte auf der Suche nach Rast und Erfrischung ans Ufer eines kleinen Teiches mitten in einem Kirschbaum-Hain. Eine sanfte Brise zupfte neckisch an den rosaroten Kleidern der Bäume und rang ihr so manche Blüte ab, die sie dann sogleich zu lustigen Tänzen durch die warme Luft verführte.

Da sah ich am seichten Ufer ein wunderschönes Mädchen sitzen, die ihre zierlichen Füße ins kühle Nass getaucht hatte. Sie war von so unbeschreiblicher Schönheit, dass mir der Atem stockte. Kastanienbraunes Haar umwallte ihr schmales, elfengleiches Gesicht, ihr Körper war nur mit einem seidenem, hauchdünnem Kimono bekleidet, der nichts verhüllen zu vermochte, sondern im Gegenteil ihre weichen und vollen Kurven nur noch verlockender erscheinen ließ. Sie hatte schöne, fest Brüste, einen schmalen Bauch und einladende Hüften*.

Doch das herrlichste war ihr Gesicht. Natürlich hatte sie mich auch gesehen und sah mich mit leuchtend braunen und großen Rehaugen an, ihre vollen, roten Lippen waren leicht geöffnet. Scheu schlug sie die Augenlider nieder, doch sie machte keine Anstalten zu fliehen. Ich, der ich Bestien geschlagen und Dynastien** gestürzt hatte, nahm all meinen Mut zusammen und trat zu ihr hin, und als sie dann immer noch völlig ungerührt sitzen blieb, kniete ich mich nieder und küsste ihr zart auf die Wange.

Dann packte sie mich an den Schultern, schleuderte mich herum und eh ich mich versah, lag ich auf dem Rücken und sie saß auf rittlings auf mir, wobei sie mich forschend betrachtete. Gespannt hielt ich den Atem an, genoss den Druck auf meinen Lenden und wartete, was sie wohl nun mit mir anstellen würde. Durch den transparenten Stoff ihres Kimonos konnte ich deutlich ihren Busen sehen, wie er sich mit jedem Atemzug ganz langsam hob und wieder senkte.

Da begann sie vorsichtig und als hätte sie alle Zeit dieser Welt, was wohl auch so war, mein Hemd aufzuknöpfen und meine Brust mit vielen zärtlichen Küssen zu bedecken. Auch den Rest meiner Kleidung wusste sie sich rasch zu entledigen und schon wenig später vereinten wir uns in tiefer Leidenschaft in der idyllischen Ruhe des Hains, während um uns herum die Blütenblätter zu Boden rieselten. Wie viele der gebildeten jungen Frauen im Land des Lächelns beherrschte auch sie die Lehren des Kamasutras***, vom gespaltenem Bambus, über den glühenden Jadestengel, bis hin zur hohen Kunst der Lotusstellung, des Vulkans und sogar der elften Position.

Nie zuvor und auch nie wieder danach hatte ich in meinem Leben solche Lust und Leidenschaft verspürt. Als wir beide unsere Euphorie den Bäumen rings um uns zugeschrien hatten, sanken wir erschöpft ins weiche Gras, ich strich zärtlich über ihre weiche Haut und steckte ihr eine Kirschblüte ins Haar.
In diesem Moment des Glücks, den nur wir beide teilten, dachte ich zum ersten Mal daran, endlich angekommen zu sein, meine Reise hier, an diesem wunderbaren Ort bei dieser wunderschönen Frau, zu beenden.

Doch, es kam, wie in allen guten Geschichten, natürlich alles völlig anders. Mit einem Geräusch, das zu beschreiben man sich am besten absolute Stille vorstellt, eine Stille, die so sehr dröhnt, das man sich einen lauten Knall wünscht, der aber nicht kommen will, mit diesem Geräusch teilte sich die glatte Oberfläche des kleinen Teichs und ein schuppiger Leib glitt daraus empor und stieß gen Himmel. Ein gewaltiger Drache, viel zu groß für den kleinen Teich, hatte wohl an dessen Grund geschlummert und war nun erwacht. Er drehte ein paar Runden um den Kirsch-Hain und wir lagen, starr vor Schreck, zwischen den Bäumen. Doch der große Drache hatte uns wohl längst gesehen, denn er schoss herab und packte das Mädchen mit brutaler Gewalt. Gefangen in seinen grobschlächtigen Klauen wurde sie von mir weggezerrt, ihr flehender Blick war auf mich gerichtet, doch statt einem Schrei oder Klagen kam nur ein einziges Wort über ihre Lippen: „Mai“ hauchte sie, und wurde in die Tiefe des Teiches hinabgerissen, in die der Drache mit ihr verschwand.

Ich verbrachte den ganzen restlichen Tag mit der vergeblichen Suche nach ihr oder dem Drachen. Verzweifelt tauchte ich durch den Teich, bis ich vor Erschöpfung glaubte, ersticken zu müssen. Weder fand ich den elendigen Wurm, noch ein Zeichen seines Verstecks und schon gar nicht das wundersame Mädchen. So blieb mir nichts anders übrig, als einen Teil meines Herzens auf dem Grund des kleinen Teichs im Kirsch-Hain mitten im Reich der Mitte zu hinterlassen.

Am nächsten Morgen setzte ich meine Reise, ein wenig wehmütig, durch das idyllische Land fort, auf zu weiteren, spannenden Abenteuern.

___________________________
* Wie es sich für einen traditionellen Kimono gehört, trug sie natürlich auch kein Höschen.
** Eine sogar mit verbundenen Augen.
*** Sie lernen es anstelle von Mathematik und Geologie.

15 Kommentare

  1. matthias

    Ja wie, nach ein bißchen Planschen im Tümpel wird die Gute ihrem Schicksal überlassen und weitergezogen? Macht ja nix, war ja eh schon gebraucht, oder was?

    Tz, tz, tz, Ritter sind auch nicht mehr das, was sie waren…

    • Andi

      Das war die Liebe seines Lebens! Aber der weiß halt, wann er verloren hat, gegen den Drachen, den er nicht mal findet weil der Tümpel (vielleicht so 10x10x8 Meter) ja eigentlich viel zu klein für ein so großes Vieh ist, hat er auch als legendärer Ritter keine Chance.

  2. Andi

    Na um die im durchsichtigem Kimono halt! Die Geschichte hat nur, groschenromatypisch, einen Erzählstrang und keinen doppelten Boden!

  3. matthias

    War bei Rittern nicht immer was mit „Kämpfen bis zum Ende“, „bis ans Ende der Welt“ etc. bis der Gral gefunden, die Jungfrau befreit ist usw.? Gut, Jungfrau war sie ja nimmer. :D

    Naja, egal. Vielleicht versteh ich auch die Hintergründe des modernen Rittertums ned. ;)

    • Andi

      Vielleicht will er auch ein Samuraii werden. Das ist ja auch eine Art Ritter, nur mit weniger Skrupel

  4. Agnes

    Also jeden Frühjahr wachsen neue Kirschblüten. Aber wenn man nur mim Samuraischwert in der Hand Kimonobekleideten auf die Möpse schaut, übersieht man die Blütezeit gern und kann dann schauen was übrig bleibt. Nämlich Kirschkernkissen.

  5. Andi

    Sehr schön geschrieben, sie kann es ja doch noch! ;- )

    Aber Du vergisst: Das ist ein Reisebericht. Die Geschichte ist längst selbige. Und noch ist er ja kein Samurai (hast Recht, nur ein i). Aber wer weiß schon was er auf seiner Reise noch alles erleben wird! Und Kirschkernkissen wärmen in kalten Frühlingsnächten!

  6. Gerda

    Du hast das Drachenweibchen grad in seiner Metamorphose vernascht und das ist dem Drachenmännchen wohl auf den Senkel gegangen…
    Sei froh, dass es sich nicht während dem Liebesspiel zurückverwandelt hat.
    Da hätte das mit dem glühendem Jadestengel wohl nicht so ganz geklappt :)

  7. Andi

    Dann hatte unser Held Glück, dass er das Drachenweibchen noch traf, als es noch jung und interessant und voller Leben war, ehe es zum geifernden und fad rumschlängelndem Drachen mutierte.

    Manche Berufungen brauchen keine Legitimation in Form eines schnöden staatlichen Papiers. Dafür sind einzig und allein Taten und Fähigkeiten vonnöten. Und die Kunst, ein Fliegenbein mit einem Schwertstreich zu zerteilen. Die Fliege muss danach aber weiterfliegen.

  8. agnes

    Heißt das, dass jede Kirschblüte zwangsweise zum Drachen wird? Oder zum Kirschkernkissen?
    sonst nix?

    Sollte ich zu den Kirschblüten zählen, möchte ich Kirschwasser werden.

  9. Andi

    Um eine echte Kirschblüte zu werden, musst Du die Kunst des Kamasutras beherrschen. Beherrscht Du die Kunst des Kamasutras?

  10. agnes

    Darauf darf ich keine Antwort geben, sonst wird der Sumpfdrache dir die Haut abziehen.

Schreib was dazu!

Vielleicht auch fein?

Abschied auf Raten

Abschied auf Raten

Dieser Abschied auf Raten macht mich fertig. Ich habe noch 13 Tage auf Bali, den Abreisetag nicht mitgerechnet. Für andere ist das ein ganzer Urlaub, aber für mich fühlt es sich...

mehr lesen