Warum Beziehungen oft so schmerzhaft sind und wie wir uns heilen können.
Diese Frage, warum Beziehungen oftmals so schmerzvoll sind, beschäftigt mich schon ziemlich lange. „Es kann doch nicht sein, dass etwas so schönes wie Liebe und Zweisamkeit scheinbar früher oder später immer im Drama und im Leid endet“ habe ich mich gefragt und bin der Antwort um die halbe Welt nachgejagt. Habe sie in zahllosen Büchern und Vorträgen, bei Weisen und Schamanen, in Sekten und Religionen gesucht.
Fest scheint mir zu stehen: jeder Mensch braucht Anerkennung und Liebe. Ich gehe mittlerweile sogar so weit, dass ich diese beiden Elemente zu den menschlichen Grundbedürfnissen zähle. Unser Erziehungs- und Ausbildungssystem ist aber nun nicht darauf ausgelegt, dass wir als Kinder lernen, uns selbst zu lieben und zu wertschätzen. Sondern es konditioniert uns, dieses Bedürfnis im Aussen zu stillen.
Das hat ganz praktische Gründe, denn Eltern, die sich ja mit einem Erziehungsauftrag versehen fühlen, “steuern” ihre Kinder einfacher, indem sie sie mit portionierter Liebe für braves oder angepasstes Verhalten belohnen.
In unserem Leben als Erwachsene setzt sich dieses Muster dann fort. Jede Führungsposition, egal ob Lehrer, Firmenchef oder Politiker leitet die ihm Untergebenen eben leichter mit einem Belohnungsystem in Form von Lob, Anerkennung oder Gratifikationen und wir, die wir ja nie gelernt haben, uns selbst als wertvoll und liebenswert zu erachten, lechzten weiter nach der Bestätigung von Oben oder Aussen.
Perfide wird es nun, wenn wir dieses System auch in unseren Beziehungen anwenden. Denn in der Regel gehen wir eine Partnerschaft unbewusst mit dem Hintergedanken ein, dass der Partner uns gefälligst lieben soll. Wir uns also von außen Liebe in unser Leben “holen”.
Und dabei übersehen wir eine simple Logik, die ich mal anhand eines Beispiels verdeutlichen möchte: wir würden wohl niemals bei einem leeren Getränkeautomaten auf den Knopf drücken in der Erwartung, dass er uns trotzdem eine Flasche Cola überlässt. In der Liebe hingegen sind wir wie der leere Getränkeautomat. Und unser Partner drückt trotzdem den Knopf und erhofft sich Cola, beziehungsweise Liebe.
Aber: was ich als leerer Automat nicht in mir habe, kann ich dem anderen auch nicht geben. Und auf den Punkt gebracht: wenn ich mich selbst nicht liebe, kann ich auch den anderen nicht lieben. Und die Liebe des anderen füllt das Loch in mir nicht.
Nun ist die Natur schlau und weiß wohl um den Umstand und dass wir uns dann gar nicht fortpflanzen würden, denn am Anfang einer Beziehung bringt sie deshalb oftmals die Pheromone und den Trieb ins Spiel. Das sorgt dafür, dass wir uns Hals über Kopf in einen Menschen verlieben oder die sexuelle Anziehung mit Liebe verwechseln. Beides klingt jedoch in der Regel nach einer gewissen Zeit ab und dann bleibt nur gähnende Leere. Denn dann stellt sich heraus, dass sich im Grunde zwei nackte Bettler getroffen haben, die sich gegenseitig in die Taschen greifen wollen und enttäuscht feststellen, dass der andere auch nichts zu verschenken hat.
Und das ist der Punkt, an dem Liebe schmerzhaft wird.
Wir haben oftmals von unserer Elterngeneration gelernt, dass eine Beziehung ein “Geben und ein Nehmen” sei. Wir müssen uns einbringen, zurücknehmen und anpassen und werden dafür vom Partner belohnt. Und sind dann traurig oder gekränkt wenn das nicht geschieht. Dann hören wir uns selber sagen: “Ich habe doch schon so viel gegeben und nie kommt etwas zurück!”
Robert Betz hat einmal eine schöne Metapher dazu vorgetragen: in einer Partnerschaft neigen wir manchmal dazu, den Partner mit Dienstleistungen zu umzingeln, damit er ja nicht weg geht und bei mir bleibt.
Und wir hoffen, etwas von unserem Investment zurück zu bekommen.
Wie sehr wir hier selbst in einer verschobenen Selbstwahrnehmungsschleife gefangen sind, fördern dann meist erst dramatisch einschneidende Lebenssituationen wie eine Trennung zu Tage. Vor allem wir Männer neigen dazu, dass wir erst einen schmerzhaften Impuls von Außen benötigen, um unser Denken zu hinterfragen.
Für mich zum Beispiel kam das Ende meiner letzten langen Beziehung extrem überraschend. Bis zuletzt war ich der festen Meinung, dass ich noch nie zuvor eine Frau so geliebt UND ihr das auch aktiv vermittelt habe. Ich bin aus allen Wolken gefallen, als ich dann aus ihrem Mund erfahren musste, dass bei ihr etwas ganz anderes angekommen war: nämlich dass sie sich von mir vernachlässigt und nicht geliebt gefühlt habe. Wie konnte es geschehen, dass wir beide auf solch unterschiedlichen Dampfern unterwegs gewesen waren? Der Schlüssel dürfte auch hier die Selbstliebe gewesen sein. Darin hatten wir beide ein klares Defizit. Ich konnte ihr nicht geben was ich selbst nicht in mir hatte und sie konnte nicht nehmen, was sie sich selbst verwehrte. Keiner wollte das zunächst jedoch so wahrhaben und gab zunächst dem anderen die Schuld daran was schließlich zur Trennung führte.
In der Regel gehen wir nach so einem Trauma aber nun nicht her und suchen den “Fehler” bei uns, sondern machen munter weiter wie bisher, versuchen uns von unserer Leere im Inneren abzulenken oder sie durch andere zu füllen. Die zunehmende Vernetzung, die allgegenwärtige Verfügbarkeit und das scheinbare Überangebot an Singles machen uns das verführerisch leicht. Hat es beim letzten Date etwa wieder nicht gefunkt? Macht nix, wird wohl nicht der oder die Richtige gewesen sein, versuchen wir es einfach mit dem nächsten Tinder-Match. Der Schmerz wird dabei zwangsläufig mit jedem “Fehlschlag” spitzer, die Mauer ums Herz höher, der Frust größer.
Ich habe im vorherigen Absatz allein zweimal den Fehler in Anführungszeichen gesetzt, denn so etwas wie einen Fehler gibt es nämlich gar nicht. Fehler sind lediglich Erfahrungen, die uns wachsen lassen und immer die Chance beinhalten, dass wir einen Schritt weiter kommen. Und so sind viele Fehler in Beziehungsdingen eigentlich Hinweise, wie wir unsere wahre Erfüllung finden können. Das mag sich jetzt nach esoterischem Bullshit anhören, hält aber bei näherer Betrachtung auch einer kritischen, verstandesgetriebenen Analyse stand: wo etwas nicht zielführend läuft, ist eben eine Nachjustierung nötig. Nicht mehr und nicht weniger stellt ein Fehler dar und deshalb täten wir gut daran, für jeden Fehler dankbar zu sein, denn er führt uns näher zu unserem Ziel. Fehler sind nichts Schlechtes, nichts was wir um jeden Preis vermeiden müssen, auch das ist ein Relikt aus einer arachaischen Gesellschaftsglauben, in dem Fehler dazu verwendet wurden, Menschen zu steuern und zu erziehen.
In der Liebe und in der Partnerschaft lautet der Schlüssel also klar: Selbstliebe.
In einer idealen Partnerschaft müssten sich demnach zwei Menschen treffen, die sich selbst so sehr lieben, dass sie den jeweils anderen rein um der Liebe willen gar nicht bräuchten. Denn dann können sich sie gegenseitig beim Wachsen helfen.
Natürlich gestaltet sich das in der Praxis ein wenig komplexer und es bedarf neben der Selbstliebe eines jeden Partners noch ein paar mehr praktische Aspekte für ein funktionierendes Beisammensein, doch der Großteil aller Beziehungsprobleme lässt sich auf diese Wurzel zurückführen. Und das gilt übrigens nicht nur in Beziehungen, sondern in nahezu allen anderen Lebensbereichen auch, das aber nur nebenbei.
Wie können wir in einer Partnerschaft also mit dieser Erkenntnis umgehen? Nun, das Wichtigste ist, sich dessen zunächst bewusst zu werden. Sich einzugestehen: “Ja, ich habe ein Defizit an Selbstliebe. Aus diesen und jenen Gründen kann ich mich noch nicht so annehmen, wie ich bin.” Und im Idealfall kommunizieren wir dem Partner das dann auch. Denn er wird ohnehin weiterhin unsere Knöpfe drücken, jene, die das Gefühl von mangelnder Selbstliebe und -wert in uns auslösen, denn genau das ist sein Job, deswegen haben wir ihn in unser Leben geholt.
Nicht, um die Baustellen in uns zuzuschütten.
Sondern um sie uns bewusst zu machen.
Und wenn sich die Partner dessen bewusst werden und in Sachen Selbstliebe und -annahme gegenseitig unterstützen, ist das die Abkürzung zur Erleuchtung. Buchstäblich. Denn genau deshalb sollten zwei Menschen zueinander finden. Nicht um sich zu klein und abhängig zu halten, sondern um sich gegenseitig das Fliegen zu lehren.
Dann tut die Liebe auch nicht mehr weh.
Sondern sie erfüllt uns.
Da hat sich das Studium meiner „Fachliteratur-Schinken“ definitiv gelohnt! Du zitierst genau die wichtigen psychologischen Grundbedürfnisse (nach Grawe) des Menschen, welche wie folgt lauten:
Bindung, Orientierung/Kontrolle, Lustgewinn/Unlustvermeidung und Selbstwerterhöhung/Selbstschutz. Wenn eines dieser elementaren Bedürfnisse nicht erfüllt ist, steigt das Risiko, eine psychische Störung zu entwickeln. Grund: Es entstehen „ungesunde Lösungsversuche“ mit der Enttäuschung und den dadurch zustande gekommenen Spannungen umzugehen. Das Bedürfnis „Selbstwerterhöhung“ beinhaltet auch die Selbstliebe- wenn man sich selbst akzeptiert/wertschätzt/mag, so wie man ist, dann mag wirkt sich das auf unser Selbstwertgefühl aus. Ich finde die Bezeichnung sich „selbst zu lieben“ ein wenig zu „hoch gegriffen“, das klingt so „selbstverliebt“ und erweckt den Anschein eines narzisstischen Verhaltens. Zudem kann man meines Erachtens die Begriffe „sich selbst zu lieben“ und „jemand anderen zu lieben“ nicht gleich setzen- Liebe zeigt sich in einer Partnerschaft anders, als sich selbst gegenüber. So, jetzt habe ich „meinen Senf“ dazu gegeben und fühle mich gut, mein Bedürfnis des Lustgewinns (meinen Senf dazu beitragen) ist erfüllt und ich bin zufrieden :-)