Der Orient. Seit ich damals, zu einer Zeit, als es noch Video- und Audiokassetten gab und man mit Wählscheiben telefonierte, Disneys Aladdin im Kino gesehen und mich unsterblich in Prinzessin Jasmin verliebt habe, hege ich eine Schwäche für die 1001 Nächte. Natürlich hat das Leben in Marokko nur wenig mit den Märchen zu tun, dafür sorgen schon allein die spaßbefreiten Muslime, deren Religion das Land fest in der Hand hat.
Dessen muss man sich bewusst sein wenn man dorthin reisen will.
Alkohol ist verpönt, was zu teilweise grotesken Spagaten sowohl der Einheimischen als auch der Touristen führt um an selbigen zu kommen, Frauen, schon gar nicht hübsche Haremsdamen mit Tiger-Haustier, sieht man in der Öffentlichkeit selten und wenn dann meist verhüllt und die Religion dank der zahlreichen Moscheen und ihrer gebetverkündenden Muazzine allgegenwärtig.
Warum reist man dann in so ein Land? frägt sich jetzt vielleicht der ein oder andere verwunderte Leser.
Weil es spannend ist. Es sind nur knapp 4 Flugstunden von Deutschland aus und trotzdem wähnt man sich dort sofort in einer anderen Welt. Das liegt weniger am Wetter, zu meiner Reisezeit Ende März ist es nämlich auch in Marokko noch empfindlich kalt, sondern am Flair, der sich aus dem morgenländlichen Lifestyle ergibt. Die Stadt Marrakesch zum Beispiel ist der Inbegriff der fernöstlich-afrikanischen Romantik-Vorstellung eines Westlers und tatsächlich versprüht der Ort genug Charme um sich sofort als Teil einer wilden Abenteuergeschichte aus der Fantasie Scheherazades zu fühlen.
Ein olfaktorisches Gewitter bricht über einen herein sobald man sein Riad (so nennen sich die marokkanischen Hostels) verlässt, der Duft exotischer Gewürze, Parfums und natürlich Speisen vermischt sich mit dem Gestank der Ausdünstungen einer Stadt, in der tausende Menschen und Tiere auf viel zu engem Raum miteinander leben. Ultrastrenge Muslime mit schamhaarähnlicher Kinnbehaarung und ganzkörperverhüllten Frauen im Schlepptau bahnen sich grimmig einen Weg durch Gruppen kichernder Jugendlicher und verwirrter Touristen.
Je mehr man sich dem Djemaa el Fna nähert, dem großen Platz im Herzen der Medina, mit seinen zahllosen Essensständen, Schlangenbeschwöreren und Geschichtenerzählern, desto aufdringlicher werden die Händler und desto teuerer ihre Preise. Besser man meidet den Ort großflächig, verliert sich dafür in den zahllosen kleinen Gassen und lässt sich durch die Geschäfte, die Souks, treiben. Die ganze Altstadt wirkt, als wäre sie aus einem einzigem roten Stein herausgehauen worden und das verwirrende System von schmalen, manchmal nicht einmal mannshohen und -breiten Gassen folgt keinem erkennbarem System.
„If you haven’t been lost, you haven’t been to Marrakesh“ lautet eine Redewendung.
Und verirren wird man sich zwangsweise, schon allein deshalb, weil in Marokko kein Verlass auf Navigations-Apps ist. Das GPS funktioniert zwar, aber Hotels und Sehenswürdigkeiten sind nur mit sehr viel Glück da wo sie laut App sein sollten. Die Einheimischen fragen hilft meist, vorausgesetzt man spricht französisch. Mit dem Englischen haben sie’s nicht so. Und wer in Marrakesch nach dem Weg fragt sollte nicht allzu enttäuscht sein, wenn der vermeintlich hilfsbereite Eingeborene für seine Dienste die Hand aufhebt. Die liederliche fernöstliche Mentalität, nach der man die weißen Westler nach Strich und Faden ausnehmen darf, begegnet einem leider auch hier. Allerdings nur in den Touristenzentren, wer die abgeschiedeneren Orte wie beispielsweise Essaouira an der Küste aufsucht, kommt durchaus in den Genuss der legendären Gastfreundschaft der Afrikaner.
Am meisten hat mir in Marokko das Essen angetan. Wer sich nicht mit Berührungsängste herumplagen muss, kommt in den Genuss einer reichhaltigen, deftigen und überaus schmackhaften Küche, deren Hauptbestandteile Kebab und alles, was sich in einer Tajine kochen lässt, ist. Eine Tajine ist ein rundes, aus Lehm gebranntes Schmorgefäß mit spitzem Deckel, an dessen höchster Stelle sich eine kleine Mulde befindet, die vor dem Garvorgang mit kaltem Wasser befüllt wird. Der Dampf beim Garen steigt dann nach oben, kühlt dort ab, kondensiert, und läuft an den Seiten des Deckels wieder nach unten in den Topf. Das führt zu einer langsamen und schonenden Garung im eigenen Saft, wobei die Nährstoffe erhalten bleiben.
Ebenfalls ein kulinarisches Highlight: Fisch. Wer sich traut (oder ggf. einen einheimischen Dolmetscher an der Hand hat), sollte ich Essaouira oder einem der anderen Fischerdörfer unbedingt frischen Fisch am Hafen kaufen und ihn sich einem kleinen Restaurant in der Medina dann grillen lassen.
Wer wie ich im Urlaub nicht auf Alkohol verzichten möchte, muss in Marokko nicht verzagen, im Gegenteil. Auf Weinliebhaber warten ein paar edle Tröpfchen, die vor allem in den gehobeneren Restaurant und Riads serviert werden.
Ich empfehle, den Val d’Argan, einen Weißwein, der kann was!
Was das Bier betrifft, so hat man in der Regel die Auswahl zwischen dem allgegenwärtigen Heineken und dem lokalen Casablanca. Letzteres kann man trinken, ist keine Geschmacksexplosion. Ein bisschen besser hat mir da schon das Stork geschmeckt, das habe ich aber nur in einer ranzigen Berber-Bar in Essaouira gefunden, in die mich ein paar einheimische Jugendliche geschleppt haben.
Am Besten bereist sich das Land wohl mit dem Mietwagen. Die Straßen sind größtenteils gut ausgebaut und in der Regel halten sich auch die Einheimischen an die Verkehrsregeln. Zwar gibt es exorbitant viele Verkehrskontrollen, ohne ein erkennbares System hockt gefühlt alle zwei Kilometer ein Polizist im Gebüsch und kontrolliert die Fahrzeuge, Touristen haben vor denen aber nichts zu befürchten und auch das sonst in Afrika recht verbreitete Schmieren der Beamten ist nicht erforderlich.
Einen persönlichen Praxistipp möchte ich Euch allerdings nicht unterschlagen: wer im März mit seinem klapprigen Seat Ibiza über das Atlas-Gebirge drüber möchte, sollte eine ordentliche Lebensmüdigkeit oder viel Glück im Gepäck haben. Da wird die Geschichte nämlich schnell abenteuerlich, wenn’s auf 2000 Meter plötzlich zu schneien beginnt und die Straßen nach Steinlawinen oder Überschwemmungen weggespült wurden.
Im Nachhinein betrachtet war meine Reisezeit für mich falsch gewählt. Zwar kann das Thermometer in Marokko im Sommer auf bis zu 50 Graf klettern und in der Sahara wird’s sicherlich noch wärmer, aber ich schwitze lieber als ich friere. Und die Wärme passt einfach besser zum Land. Wenn ich Marokko ein zweites Mal besuchen sollte, dann sicherlich ohne Pulli und Schal.
Vielleicht läuft mir dann auch Jasmin über den Weg, denn die hat wahrscheinlich noch Winterschlaf gehalten als ich sie besuchen wollte.
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