Wer weit reise, sagte er, erfahre viele Dinge. Ein paar davon über sich selbst.”
(Daniel Kehlmann, Die Vermessung der Welt)
Wenn man sich Bali auf einer Landkarte ansieht, könnte man leicht dem Eindruck erliegen, das hier ja nun soviel nicht geboten sein kann. Theoretisch könnte man jeden Flecken dort binnen zwei Stunden Autofahrt erreichen. Praktisch braucht es das doppelte an Zeit, geschuldet ist das dem balinesischem Verkehr. Wo immer sich hier Menschen ansiedeln produzieren sie Staus. Oftmals wären wir zu Fuß sicherlich schneller gewesen als mit dem Auto. Ich bin viel mit dem Roller unterwegs gewesen und ich hatte ausreichend Zeit, Beobachtungen über den Verkehr aufzustellen. Zusammenfassen lassen sich diese in etwa so: es gibt keine richtigen Regeln. Gefahren wird links, meistens, außer, Hati Hati, jemand benutzt die Straße gerade als Park- oder Lagerplatz oder Baustelle.
Beim Überholen ist es höflich, den zu Überholenden durch Hupen auf einen aufmerksam zu machen.
Blinken kann man, muss man aber nicht, wer an einer Kreuzung geradeaus fahren will, schaltet die Warnblinkanlage ein.
Auch die Vorfahrtsregelung beschränkt sich darauf zu beobachten, ob einen der andere fahren lässt oder es eiliger als man selbst hat.
Der impulsivste (nicht der aggressivste) Fahrer gewinnt.
Und all das funktioniert. Niemand schimpft auf den anderen, keiner hat es ausnehmend eilig.
Überhaupt, die Sache mit der Eile. Da können wir hier zu Hause noch viel von lernen. Probleme werden hier in der Regel gelöst, indem das Problem lange und ausgiebig angestarrt wird. Der Pool ist umgekippt? Tagelanges in den Pool starren, am Besten in einer Gruppe, in der man sich ein bisschen miteinander unterhalten kann, löst das Problem schon irgendwann. Oder auch nicht. Ist auch egal, denn Zeit spielt keine Rolle. Ich habe auf der Reise keine Baustelle gesehen, auf der nicht irgendwo im Schatten die Arbeiter dösen oder schlafen oder zusammensitzen und –stehen und irgendetwas anstarren. Irgendwann wird das Haus schon fertig. Und wenn es fertig ist, dann darf es wieder verfallen. Es gehört zum eigenartigen Charme Balis, dass hier alles so aussieht, als wäre es vor dreißig Jahren mal sehr neu und prunkvoll gewesen und dann ist es kontrolliert blitzgealtert. Die Natur holt sich hier außerdem schneller als anderswo zurück was ihr gehört, sei es durch Überwucherung oder die Besiedelung mit allen möglichen Insekten und Lurchen. Regelmäßig versuchen die Einheimischen, die Insektenbesuche einzudämmen indem sie allenthalben kleine Feuer entfachen und die Gegend ausräuchern (und damit gleich auch ihren Müll verbrennen). Dass dabei in der Trockenzeit, in der wir das Land bereisen, nicht überall Flächenbrände wüten, grenzt an ein Wunder.
Aber an Wundern mangelt es hier ohnehin nicht. Oder zumindest am Glauben an solche. Die Leute in Bali sind äußerst religiös. Gefühlt kommt hier auf jeden Menschen ein Tempel. Es gibt Haustempel, Familientempel und Dorftempel. Und richtig große Tempel an besonders heiligen Orten. Die vorherrschende Religion in Bali ist der (indonesische) Hinduismus und obwohl der im Prinzip nur einen Gott kennt, zeigt sich dieser in den verschiedensten Manifestationen. Es gibt quasi für alles eine Manifestation, sogar eine für Mofas und Autos. Dafür braucht es täglich zahllose Opfergaben in Form kleiner Körbchen mit Blumen, Konfekt, manchmal Geld, garniert mit einem Räucherstäbchen. Eine eigene Industrie bedient die Religion mit Zubehör für Tempel, Opfergaben und alles was es für die Frömmigkeit benötigt. Alle sechs Monate wird in einem Tempel gefeiert. Der Umfang des Festes hängt davon ab, wie der Mond gerade steht. Bei Vollmond zieht sich das dann schon mal drei Tage hin. Vor allem an spirituellen Ballungszentren wie Ubud führt das dazu, dass jeden Tag irgendwo anders eine Zeremonie abgehalten wird. Doch jetzt bin ich schon in Ubud, eigentlich begann unsere Reise ja im Süden, an den Surfereldorados von Padang Padang, Dreamland und Binging Beach (oder Binging Bitch, wie die Einheimischen es aussprechen).
Für einen Badeurlaub eignet sich der Ort nur bedingt. Zu unberechenbar ist hier das Spiel von Ebbe und Flut, die Strömungen und der Wellengang und als ob das nicht genug wäre, fällt die Küste in steilen Klippen zum Meer ab. Doch am Ende macht genau das den Reiz dieser Gegend aus. Die Einheimischen haben Treppen in die Felsen gehauen, kleine Warungs (Restaurants) und Homestays (Übernachtungsmöglichkeiten) an die Wände geklebt und alles von der Natur überwuchern lassen.
Das ist so schön und romantisch, da find ich gar keine Worte um das angemessen zu beschreiben.
Und dann sind da natürlich die imposanten Wellen, auf denen sich die Surfer tummeln, stets wartend auf die eine perfekte Welle, die sie dann möglichst lange besurfen wollen und hoffen, nicht von der unbändigen Naturgewalt auf die scharfkantigen Riffe geschleudert zu werden, die dicht unter der Wasseroberfläche lauern und ihnen die Haut von Fleisch schälen. Die Surferdudes haben eine eigene Sprache für das Surfen entwickelt. Da gibt es die Left- und die Righthander-Wellen, deren Höhe in Poppies und Feet gemessen wird. Man unterscheidet Fun-, Reef- und Beachbrakes, muss Swells und Rip Currents beachten und die Länge des Boards den Wellen anpassen. Und Low-, Mid- und Hightide haben große Auswirkung auf die Form und Gefährlichkeit der Wellen. Alles in allem sieht’s einfach aus, scheint aber eine Wissenschaft für sich zu sein.
An den Stränden, von denen sich dann doch einige, eine hohe Schmerzgrenze vorausgesetzt, zum Baden eignen, tummeln sich auffallend viele schöne und vor allem junge Menschen. Kaum ein Pauschaltourist scheint sich hierher zu verirren, alles ist very easy und gechillt und auch wenn die Reiseführer ausdrücklich davon abraten ziehen die Mädels an den Stränden gerne mal blank, die für Indonesien stets angeratenen Badeanzüge trägt kaum eine, nur ultraknappe Bikinis erfreuen das Männerauge. Für die Damen gibt’s auch was zu gucken, die Sixpackparade hier sucht ihresgleichen und übrigens: die guten Surfer erkennt man daran, dass sie nur wenig bis keine Verletzungen und Narben zieren. Abends treffen sich die Partypeoples dann in Szenekneipen wie dem Single Fin oder dem Cashew-Tree und feiern zu Reggae-Musik und Techno, der bei uns vor 10 Jahren in den Discotheken lief. Es macht einen Heidenspaß, mit dem Motorroller die Küstenstraße entlang zu cruisen oder im Garten beim Yoga von kleinen Affen beobachtet zu werden.
Eigentlich wollten wir ja dann weiter nach Ubud, ins spirituelle Herz Balis. Eigentlich deshalb, weils uns im Süden aber auch so gut gefiel. Kurz kamen Bedenken auf, ob das nicht ein Widerspruch in sich ist, einen spirituellen Ort aufzusuchen wenn man sich gefühlt schon an einem befindet, die Neugierde hat aber gesiegt und das Versprechen, hierher zurückzukehren, geholfen.
Knappe drei Stunden Taxifahrt später hat sich das Bild der Insel komplett gewandelt. Weg vom etwas vertrocknetem Strandpanorama hin zu saftigem Dschungel und grünen Reisterassen. Die Tempeldichte nimmt schlagartig zu, allenthalben begegnen einem bunt gekleidete Einheimische, die Frauen mit durchsichtigen Spitzenleibchen, die Männer mit lustig geformten Tüchern auf dem Kopf. Mit ordentlichen Anlaufschwierigkeiten findet mein Taxifahrer unser Homestay, das Umah Luung, das völlig vom Schuss und nahezu unbeschildert zwischen einem Dschungel und einem Reisfeld sitzt. Auf meinem großzügigem Balkon wohnt ein enormer Gecko, der jede Nacht den Boden einsaut und nachts schreien sich die Hähne die Seele aus dem Leib.
Kurzer Exkurs, zu den Gockeln hier, die muss ich unbedingt erwähnen. Hahnenkampf ist ein balinesischer Volkssport. Die betreiben hier auch die Hardcore-Variante, bei der sie den Viechern Rasierklingen an die Beine binden und auf den überlebenden Sieger wetten. Fand ich jetzt nicht so knorke und habe mir diese Spektakel nicht gegeben, dafür aber das permanente Geschrei der Hähne ertragen. Und die krähen morgens nicht nur einmal, sondern ab halb vier um die Wette. Bis acht Uhr früh. Ohne Scheiss, wahrscheinlich machen die da aus, wer die größten Eier hat und haben sich für ihr Wettkrähen zielgerichtet immer meine Hotels und Homestays ausgesucht. Ich habe mich irgendwann der Mission hingegen, die Viecher einfach alle aufzuessen, egal ob im Nasi Goreng, im Nasi Campur, als BBQ oder paniert, allerdings jämmerlich erfolglos. Hähne wachsen in Bali sicherlich auf Bäumen und gehen nie zuneige.
Aber zurück zu Ubud. Das ist, abgesehen vom schmatzenden Gecko und den Gockeln ein wunderschönes Fleckchen, solange man das Zentrum der Stadt meidet, in dem tagsüber ein Reisebus nach dem anderen Horden von knipsenden Japanern auslädt, die wie Heuschreckentouristen durch die Straßen schwemmen und alles und jeden mitreißen, der ihnen nicht schnell genug aus dem Weg gehen kann. In Ubud sollte man lieber die Nebenstraßen erkunden, da finden sich dann auch lauschige Plätzchen, unaufgeregte Locals und extrachillige Auswanderer auf der Suche nach Erleuchtung. Wir haben uns dann wieder ein Motorrad gemietet und bin aufs gerade wohl und nur navigiert mit Handy ins Hinterland gefahren, vorbei an malerischen Reisterrassen, ursprünglichen Dörfern voller dauerfreundlicher Einheimischer und, Hati Hati, lokalem Handwerk!
Mehr durch Zufall haben wir eine Straße entdeckt, in der all das Zeug produziert wird, dass weiter unten in Ubud zum fünffachen Preis wieder weiterverkauft wird. Aber anders als zum Beispiel in Thailand ist das kein billiges Gerümpel, sondern hochwertigste Handwerkskunst. Schnitzereien aus Massivholz, wunderschöne Lampen, Steinstatuen, Schnitzereien, Metallkunst, alles in jeder Form und Größe, zu unschlagbar günstigen Preisen und alles viel zu groß und zu viel um es mit nach Hause zu nehmen. In den meisten Werkstätten kann man den Handwerkern über die Schulter blicken und ihnen das Kunstwerk gleich aus der Hand heraus abkaufen. Wir haben ein beachtliches Übergepäck angehäuft und lange mit dem Gedanken gespielt, einen Container zu mieten um meine Wunscheinrichtung nach Hause zu befördern.
Die Menschen hier sind allesamt unglaublich freundlich. Jeder lächelt einen an, hat Zeit für ein Schwätzchen und kennt so etwas profanes wie schlechte Laune nicht. Einmal ist uns beim Heimwandern in der Dunkelheit ein lustiger alter Mann begegnet, der eine Fackel dabei hatte und uns den ganzen Weg nach Hause begleitet hat.
Am Strand in Permuteran hat uns eine Gruppe jugendlicher Einheimischer zum spontanen Rumgammeln eingeladen, was in einem spektakulären Arak-Rausch geendet hat (Arak = 45%iger Reiswein und vor ihm wird in Reiseführer gewarnt, weil die schwarzgebrannte Variante angeblich blind macht. Die Locals, die wir getroffen haben, konnten alle noch recht gut sehen, mehr noch, sie hatten „Drunken Master“-Tattoos auf den Oberarmen mit Sternen, einen für jede Flasche Arak, die sie bisher geext haben. Der Meister unter ihnen hatte sechs Sterne eintätowiert. Und weil ich aus einem Schnapsbrennerdorf komme, habe ich sie, Ehrensache, alle unter den Tisch getrunken).
Einer der Höhepunkte in Sachen Gastfreundschaft war die erste Nacht in Payangan, in der wir auf der Suche nach einem Warung spontan auf eine Hochzeit eingeladen wurden. Ich hatte mich schon gefragt was es mit all den bunt gekleideten Frauen mit den Körben auf den Köpfen, die mir unterwegs begegnet sind, auf sich hat. Eine davon hat uns sogar Obst und Konfekt aus dem Korb geschenkt. Etwas später, als wir ganz tourimäßig gaffend vor einem prunkvoll geschmücktem Hauseingang standen, sprach uns der Bruder des Bräutigams an und bat uns ins Innere. Dort lernten wir das Brautpaar kennen, besuchten den Haustempel, tratschten mit diversen Gästen und aßen und tranken bis wir jegliches Schamgefühl verloren hatten.
Die Hochzeiten hier sind ganz anders als die daheim. In der früh ab 3 Uhr findet im Tempel die Trauungszeremonie statt und dann treffen sich alle daheim beim Bräutigam zum Essen und ratschen. Die Gäste kommen über den ganzen Tag verteilt, beglückwünschen das Brautpaar, essen etwas, ratschen ein bisschen und verschwinden wieder. Jeder ist willkommen. Das ganze ist wunderbar ungezwungen und gesellig. Ausser vielleicht für das Brautpaar, für die muss das ganze recht stressig sein, all das Dauergrinsen und das Handshaken.
Ebenfalls schöne Erfahrungen waren die beiden Tempel, die wir auf der Strecke mitgenommen haben. Im Wassertempel Pura Tirta Empul entspringt eine heilige Quelle, die nicht nur zahlreiche Touristen anlockt, sondern auch von den Einheimischen nach wie vor rege genutzt wird. Gerne hätte ich auch im Quellwasser gebadet, dummerweise war nirgends beschrieben, wie das nun genau geht. Gelehrig wie ich bin, habe ich durch geduldiges Anstieren des Problems dessen Lösung in Form eines Tempeldieners erschaffen, der wohl Mitleid mit mir hatte, mich in die Mysterien der Reinigungszeremonie einweihte und durch diese begleitete. Ich werde mich wohl nie wieder so sauber fühlen. Für alle, die wie ich am Beckenrand sitzen und verzweifelt im Internet nach einer Anleitung für’s seelische Reinmachen suchen: so wird’s gemacht: Sarong umbinden, auch die Männer. Zwei Opfergaben (falls kein Bananenblattschälchen im Handgepäck war tut’s auch kleines Geld) besorgen, in einer kurzen Meditation dem Wassergott den innigsten Wunsch vortragen, anschließend eine Opfergabe am Altar ablegen. Dann geht’s ab ins linke Becken, dort zur ersten Fontäne waten und die zweite Opfergabe ablegen. Hände vor dem Gesicht falten und dreimal „Om“ sagen. Danach dreimal das Gesicht waschen, dann drei Schluck Wasser trinken und dann solange mit dem Kopf unter den Wasserstrahl wie man’s eben aushält. Die dreimalige Wiederholung entspricht dem Kopf, dem Körper und den Beinen. Das Untertauchen unter den Strahl soll das Kronen-Chakra reinigen. Zwickt einen dabei einer der riesigen Kois ist das ein gutes Zeichen, er hat einen dann von einem schlechten Geist befreit. Dieses Prozedere wiederholt man bei den anderen neun Fontänen, Nummer elf und zwölf lässt man aus, die sind für Neugeborene und Tote. Bis hierher ist man dann schon mal von allen schlechten Eigenschaften gereinigt. Unter der Dreizehn bittet man für die Erfüllung seiner Wünsche und Vierzehn wäscht die bösen Träume weg. Danach geht’s weiter in Becken zwei, hier darf der Geist baden, im dritten Pool säubert man seine sieben Chakren. Dann noch Abschlussmeditation und sich gut fühlen.
Etwas weniger spirituell, dafür etwas spektakulärer geht’s in Gunung Kawi zu. Hier befinden sich riesige Grabmäler in einer schönen Schlucht. Kann man sich durchaus ansehen wenn man in der Nähe ist, man muss halt die arg aufdringlichen Händler, die sich an der Treppe hinab in die Schlucht angesiedelt haben und ständig „Today Twenty!“-rufend auf ihre Waren zeigen. Damit meinen sie aber etwa nicht, dass die schöne geschnitzte Kokosnuss nur 20.000 Rupiah kostet (etwa 1,30 €), sondern 20 Prozent Nachlass geben. Ganz am Ende neben dem letzten Grabmal, quasi im hintersten Eck vor dem die meisten Touris schon wieder umgedreht sind, versteckt sich noch ein netter und gänzlich unaufgeregter Kokosschnitzer, der einem auch noch auf Wunsch eine frische Nuss kredenzt.
Irgendwann mussten wir dann auch von Ubud Abschied nehmen und sind über’s Gebirge in den Nordwesten nach Permuteran gefahren. Was im Süden das Surfen ist, ist im Norden das Tauchen. Und das Schöne hier ist: anders als beispielsweise in Thailand scheinen die Leute hier auf die Natur zu achten. Unter großen Anstrengungen bauen sie das Riff wieder auf und richten Schutzzonen ein. Hier gibt es auch den berühmten schwarzen Vulkansand am Strand. Sieht spektakulär aus und ist gar nicht mal so heiß wie ich dachte. Und vom Strand aus kann man direkt ins Meer waten und steht quasi mitten im schönsten Korallenriff mit Nemos und anderen schicken Fischen. Und wer weiter links am Strand schnorchelt, sieht künstlich angelegten Riffe, für die Metallkonstruktionen, manche gewöhnlich, manche in Form von Kunst- und Bauwerken im Meer versenkt wurden. Allerdings haben mir hier kleine Nessenquallen das Schnorcheln zur Qual gemacht. Einmal sind wir mit den Tauchern raus nach Menjangan gefahren, einer unbewohnten Insel im Naturschutzgebiet, berühmt für seine Tauchgründe. Hier zu schnorcheln gleicht einer Reizüberflutung. Myriaden von Fischen umschwärmen einen wenn man ins Wasser springt, neugierige Clownfische spitzeln aus ihren Anemonen, Schwärme riesiger Falterfische ziehen eine Handbreit entfernt von einem vorbei.
Recht vielmehr als Tauchen, Schnorcheln und am Strand braten kann man in Permuteran nicht machen, und das ist auch gut so. Wer’s unbedingt drauf anlegt, findet sicherlich einen Einheimischen, der einen durch die Pampa führt und man besucht den ominösen heiligen Bananenbaum, den es Gerüchte halber da irgendwo geben soll und der so groß ist, dass eine zweispurige Straße durch ihn hindurchführt. Nachdem uns aber keiner, auch das Internet, so genau sagen konnte, wo sich der befindet, haben wir die Suche gar nicht erst auf uns genommen.
Das schöne an unserer Art zu Reisen sind immer auch die Leute, die man unterwegs trifft. Die Indonesier, die wir getroffen haben, sind allesamt sehr kontaktfreudig, meist immer dann wenn ich meinen Laptop aufgeklappt habe um ein wenig zu schreiben, hat mich irgendwer in ein Gespräch verwickelt. Die Kommunikation ist allerdings meist umständlich, zwar sprechen viele Locals Englisch, das ist aber auf eher einfache Konversation ausgelegt. Da gerät schon mal die Antwort des Taxifahrers auf die Frage, ob Kühe in Bali denn nun heilig sind, zum internen Diskussionspunkt. An die Eigenart der Indonesier, dass sie, wenn sie die Antwort auf eine Frage nicht wissen oder die Frage nicht verstehen, einfach nicken und/oder das Thema wechseln, muss man sich gewöhnen. Oder an das Phänomen, dass sie, wenn man sie nach dem Weg fragt, sie aber keine Ahnung haben, wohin man will, schamlos in eine beliebige Richtung deuten und lächeln. Da tat es dann der Abwechslung immer wieder mal gut, wenn man englischsprachige Reisende oder gar Deutsche trifft, mit denen man sich über den Trip austauschen kann oder schlicht über etwas ratschen kann, das nicht mit deutschem Fußball (Tschampionschipwinna, kongrats!) oder Oktoberfest zu tun hat.
Auch die schönste Zeit im Paradies geht mal zu Ende. Und auf der Zielgerade mussten wir dann nochmal einer besonderen Herausforderung Herr werden. Nämlich nach Semarang zu kommen. Nachdem wie bereits erwähnt Geruda Indonesia und Emirates es scheinbar darauf angelegt haben, sich gegenseitig in Flexibilität und Kundennähe zu unterbieten und es nicht ermöglichen konnten oder wollten, unseren Abflug von Semarang nach Denpansar zu verlegen, entschieden wir uns für eine Zugreise über Yogyakarta nach Semerang. Auch wenn die Bahnstrecke landschaftlich wohl sehr reizvoll sein soll, haben wir den insgesamt 10 Stunden (inklusive 3 Stunden Zwischenstopp in Surabaja) fahrenden Nachtzug gewählt, weil wir damit keinen ganzen Tag „verloren“ haben und uns noch ausgiebig Yogyakarta ansehen konnten. Eine Fähre brachte uns von Bali nach Java, dank dem mir unverständlich riesigen Vollmond, den ein Foto meiner Kamera dann als gar nicht mehr so groß entlarfte, lernte ich quasi im Vorbeischippern noch etwas über die Mondtäuschung.
Weil wir mit der Zeitverschiebung zwischen Bali und Java durcheinandergekommen sind, hockten wir dann drei Stunden am Bahnhof in Banyuwangi herum, die aber dank leckerer Warungs, geschwätziger Einheimischer und einer kontaktfreudigen und etwas durchgeknallten Weltreisenden wie im Flug vergingen. Die eigentliche Zugfahrt war auch erträglich, aber nur, weil wir Ohrstöpsel dabei hatten. Züge gibt’s auf Java in drei Klassen: Economy, Business und Executive. Da die Preise zwischen Business und Executive sich kaum unterschieden und wir gehört hatten, dass es sich dort dank der Beinfreiheit wohl recht komfortabel schlafen lässt, buchten wir Executive (wer das nachmachen möchte: ich bin mit www.tiket.com sehr gut gefahren). Das Irritierende waren hier aber definitiv die Fernseher, die in jedem Abteil unberührt von der Tatsache, dass es sich um einen Nachtzug handelte und das Personal sogar Kissen und Schlafdecken verteilt hat, pausenlos indonesische Popvideos (mit Einstreuungen von Bruno Mars) und Mr Bean abgespult haben. Nach der 10 Minuten-Bollywoodversion von „Maning Maning“ haben mir bereits die Ohren geblutet, nur die Ohrenstöpsel in Verbindung mit den Fahrgeräuschen ermöglichen so etwas wie Schlaf.
Alles in allem erreichte der Zug auf die Minute pünktlich Yogyakarta und spuckte uns zur Mittagszeit in die pulsierende, kochend heiße Metropole, die so rein gar nichts ihrem Entspannung verheißendem Namen zu tun hat. Schon am Bahnhof überfielen uns Rikscha-Fahrer wie Fliegen ein Schokotörtchen und sie waren alle ganz enttäuscht, weil wir nur über die Straße ins Hotel direkt gegenüber dem Bahnhof wollten. Die Rikscha ist hier nämlich das Transportmittel Nummer 1, es gibt sie in zwei Varianten, motorisiert und muskelbetrieben. Bei letzterem haben wir mal einen alten Opi erwischt, der so sehr schnaufen musste, dass ich abgestiegen bin und ihm Schieben geholfen habe.
Freundlich und redselig blieben sie aber trotzdem alle. Eine Sache, die ich bis zuletzt in diesem Urlaub nicht vollumfänglich gelernt habe: das Misstrauen abzulegen, wenn mich jemand ansprach und in ein Gespräch verwickeln wollte. Dabei sind in neun von zehn Fällen die Einheimischen hier einfach nur unglaublich kommunikativ und neugierig (der 10te will einen in irgendeinen Shop locken, aber auch da akzeptiert er ein Nein, egal ob vorher oder vor Ort). Das meiste über das Land und die Bräuche haben wir dann am Ende auch nicht aus dem Reiseführer, sondern von den Menschen dort gelernt und so manches Taxi habe ich ein gutes Stückchen schlauer wieder verlassen.
Wer drauf steht kann in Yogyakarta wunderbar Batik-Zeuchs shoppen. Aber auch nur das. Eine Eigenart des indonesischen Tourismus scheint zu sein, dass es an jedem Ort immer nur eine Art Souvenir gibt. Nach dem Muster: einer fängt an was zu verticken, hundert andere machen es ihm nach und wundern sich, warum dann ein Andi mit zerschundenen Nerven und aufgeblähten Nüstern durch den dreißigsten Batikladen stapft. Das sind dann die Momente, in denen ich sinniere, warum hier keiner auf die Idee kommt, wirklich ausgefallene Dinge zu verkaufen anstatt den Nachbarn möglichst genau zu kopieren. Wenn ich zum Beispiel schon gefakte Uhren verhökern muss, würde ich doch aus der Not eine Tugend machen und Uhren anbieten, die meinetwegen rückwärts laufen und das charmant verpacken. Hauptsache nicht so ernst nehmen. Aber wahrscheinlich würde es ohnehin nur ein paar Stunden dauern, bis auch diese Idee kopiert wird.
Immerhin haben wir in Yogyakarta am letzten Tag dann doch endlich noch in einer Nebenstraße mein heißbegehrtes Fake-Lego gefunden, das Gelächter des Rikscha-Fahrers und das der völlig verdutzten Verkäuferinnen im Spielzeugladen konnte ich sehr gut ignorieren. Nachdem uns eigentlich alle, die ich getroffen habe, egal ob Einheimische oder andere Reisende, von einem Besuch der berühmten Tempelanlage Borobodur abgeraten haben weil’s zu teuer und zu überfüllt mit Japanern ist (die hier übrigens in Buskonvois mit Polizeieskorte unterwegs sind), haben wir uns zum Abschluss noch das Palastareal in Yogyakarta angesehen. Einst herrschte ein Sultan über ganz Java, diverse Besatzer wie die Niederländer oder die Engländer haben ihm aber nach und nach alles Land abgenommen. Heute regiert er nur noch über die Provinz Yogyakarta und erfüllt quasi die Funktion eines sonst in den Provinzen regierenden Gouverneurs. Allerdings einem mit 25.000 Angestellten. Die leben in einer eigenen Stadt innerhalb der Palastmauern und himmeln ihren Herrscher an dass es gleich ein bisschen gruselig ist. Die Diener haben ein internes Rangsystem, arbeiten alle umsonst für den Sultan, müssen dafür keine Steuern zahlen und dürfen ihrem Chef ganz nahe sein. Ihr Gehalt bessern sie auf, in dem sie Touris durch den Palast führen und ihnen anschließend Batik und Ramayana-Merchandise verkaufen (wollen).
Stichwort Palast: wer hier was Wuchtiges wie zum Beispiel den Palast der Königsfamilie in Bangkok erwartet, dürfte wie wir enttäuscht sein. Alles sehr dezent und eher unauffällig statt protzig. Dafür kann man sich mit etwas Glück (und Geduld) das seeeehr entspannte Palastorchester anhören oder in einer Ausstellung des Sultans Nudelsieb bewundern (kein Witz!). Ähnliches gilt für den Wasserpalast, in dem der Sultan einst seinen zwanzig Frauen beim Baden zusah um sich dann eine von ihnen auszuwählen und sie in einem Privatpool zu vernaschen.
Alles in allem war der Abstecher nach Yogyakarta eine nette Erfahrung, eine Nacht dort hat mir aber völlig gereicht.
Die Frage, ob ich Indonesien gerne länger bereist hätte, erübrigt sich. Ich denke, ich haben in den drei Wochen einen guten Einblick, vor allem in das Leben auf Bali bekommen und natürlich, wenn wir mehr Zeit zur Verfügung gehabt hätten, ich hätte es hier noch gut ausgehalten. Und es wird sicherlich auch nicht meine letzte Reise nach Indonesien gewesen sein.
Insgesamt haben wir knapp 800 Kilometer auf dem Landweg zurück gelegt. Wir wurden kein einziges Mal bestohlen, kein korrupter Polizist hat uns ausnehmen wollen als wir mit dem Roller unterwegs war, wir hatten keine Magenverstimmungen, obwohl wir fast nur einheimische Speisen geschlemmt haben und von Mückenattacken blieben wir größtenteils verschont. Immer hat sich alles zu unserem Vorteil ergeben. Wir sind nicht einmal zu spät gekommen, haben nie einen Transport verpasst und wurden, soweit ich das beurteilen kann, nie übers Ohr gehauen. Mit nach Hause bringe ich neben einer gesunden Urlaubsbräune ein Tattoo, weit über 2000 Fotos und einen Film, den Wunsch, mein Haus nach balinesischem Vorbild einzurichten, einen Rucksack randvoll mit feinen Souvenirs und am wichtigsten: unzählbar viele schöne Erinnerungen und einen ums Neue erweiterten Horizont.
Selamat tinggal Indonesien
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