„Am dunkelsten ist die Nacht vor der Dämmerung.“
(Paulo Coelho)
Wir müssen uns mal über die Schattenseiten des Alleinreisens unterhalten. Ich habe in den letzten Wochen viele Komplimente für meine Reiseberichte und vor allem für die Bilder erhalten. Sie erwecken den Eindruck, dass ich mich von einem Paradies zum nächsten hangeln würde.
Und in gewisser Weise stimmt das ja auch. Diese Zeilen zum Beispiel tippe ich auf der Terrasse meiner Bambus-Hütte auf Siargao im Süden der Philippinen. Das kleine Ressort namens Bamboo Garden direkt am Strand wird von der Südafrikanerin Sonja und dem Australier Adam betrieben. Beide tiefenentspannt und bis hinter die Ohrläppchen tätowiert. Mit mir hängen hier vier ältere, ebenfalls superentspannte Australier, ein paar nervig-verliebte Pärchen, sowie je zwei Katzen- und Hundebabies, ein junger Seeadler und zwei betagte Schildkröten herum.
Bis ich allerdings hier gelandet bin, musste ich erst eine ziemlich zähe Anreise bewältigen. Dreimal das Flugzeug wechseln, 15 Stunden in Manila am Flughafen feststecken und eine Nacht in General Luna verbringen, letzteres das angepriesene Surfer Eldorado der Philippinen, das sich bei meinem ersten Besuch allerdings als überteuertes Touristenmoloch entpuppte.
Landschaftlich unterschieden sich die Philippinen auf den ersten Blick nicht großartig von Sri Lanka. Palmen, heiß, grün. Auf den zweiten griff die berühmte asiatische Weisheit same same but different: zunächst waren es Kleinigkeiten, die mir auffielen.
Es schmeckte und roch hier nach Südsee.
Die Leute waren fröhlicher, kleiner, weniger scheu.
Kinder riefen mir aus allen Ecken vergnügte Grüße zu und spielten mit gigantischen Spinnen, die an langen Stöcken baumelten.
Alkohol war plötzlich wieder erlaubt (den Christen sein dank) und kein Kloster und keine Moschee störten mit ihren Lautsprecheranlagen die friedliche Ruhe.
Die Häuser bestanden größtenteils aus Holz, manchmal auch einfach nur aus einem Dach auf Stelzen, und das ganze Leben spielte sich im Freien und am Meer ab.
Die Busse waren noch verrückter als die auf Sri Lanka.
Es gab keine Tuk-Tuks, dafür Tricycles, quasi Mofas mit überdachtem Anbau.
Und auch viele Fahrrad-Rikschas.
Das Essen auf den Philippinen war tatsächlich eine Katastrophe.
Und die Filipinos waren weniger geschäftstüchtig als die Singhalesen. Feilschen führte oftmals dazu, dass das Gegenüber plötzlich das Interesse an einem potentiellem Deal verlor. Der Besitzer des Taximofas, den ich nach dem Preis für eine Fahrt von General Luna nach Pacifico (ca. 40 Kilometer) fragte, ließ sich mit Müh und Not auf 700 Peso herunterhandeln (das waren ca. 14 Euro, der Normalpreis für die Strecke betrug, wie ich später erfuhr, maximal 300 Peso). Zu unserer Verhandlung gesellte sich ein weiterer Filipino, der zunächst interessiert lauschte und mir dann anbot, ein Motorrad zu mieten. Ihn handelte ich von 450 auf 300 Peso Tagesmiete herunter und bevor wir den Deal eintüteten, fragte ich den Taxifahrer, was er denn nun davon hielte: für die Summe für die er mich nach Pacifico kutschieren wollte, konnte ich mir 2 Tage lang ein eigenes verdammtes Motorrad mieten. Er lachte nur und zuckte mit den Schultern. In Vietnam wäre spätestens jetzt die knochenharte zweite Verhandlungsrunde angebrochen, doch nicht auf den Philippinen.
Der Motorradverleiher stellte sich als Marjun vor und kutschierte mich zu seinem Haus. Unterwegs eröffnete er mir, dass er ausschließlich manuell schaltbare Maschinen habe und auf meinen entsetzten Einwand, dass ich mit so etwas noch nie gefahren sei, lachte er und versprach, mir alles genau zu erklären. Das Motorrad, das er mir dann schließlich vorsetzte, hatte nichts mit den Automatikrollern gemein, die ich bisher in Asien gefahren war. Es handelte sich um eine kleine Motocrossmaschine und die Fahrstunde bestand darin, dass Marjun mich zweimal seine Straße auf- und abtuckern ließ und zufrieden lächelte, als ich das Gefährt weder in einen Zaun steuerte noch damit umstürzte. Dann beobachtete er gelassen, wie ich meinen schweren Rucksack schulterte und ich mich schlingernd von dannen machte. Ohne dass er mehr als meinen Vornamen und meine lokale Handynummer hatte.
Führerschein, Helm, Nummernschilder, alles überbewertet hier.
Allerdings sollte sich die Entscheidung für das Motorrad als beste seit langem herausstellen, denn das Fahren auf der Insel machte unglaublichen Spaß. Eine überraschend gut ausgebaute, menschenleere Straße führte einmal um die ganze Insel (Fahrtzeit für eine Umrundung: ca. 3-4 Stunden) und wechselte sich zwischen grandiosen Küstenabschnitten, urigen Dörfern und tiefstem Dschungel ab.
Vor dem Bamboo Garden brach direkt eine kleine, aber feine Welle über einem Riff, der Brasilianer Jonatan, der das Ressort nebenan mit seiner bezaubernden schwedischen Freundin Rebecca, meiner Yogalehrerin, renovierte, lieh mir für die Dauer meines Aufenthalts seine Gitarre, nicht einmal der aufdringliche, aber herzensgute Ladyboy Vanda vermochte die Idylle zu stören.
Also was hat es nun mit den eingangs erwähnten Schattenseiten auf sich?
Nun, da wäre zum einen mal die Sache mit den Hostels. Ich hatte das Reisen in Asien bisher immer als recht günstig in Erinnerung. Mein Denkfehler bestand jedoch darin, dass ich ja nie alleine unterwegs gewesen war und ich die Übernachtungskosten immer teilen konnte. Das fiel nun weg und vor allem in den touristisch noch nicht so erschlossenen Reiseländern wie eben Sri Lanka und den Philippinen gab es meist nur Doppelzimmer zu mieten (wenn man für Schlafsäle zu versnobt ist).
Dafür bekam ich das Mitleid stets gratis dazu wenn die Sprache darauf kam, ob ich denn wirklich alleine unterwegs wäre. Ja, war ich.
Und so schön es auch war, sich nur um sich selbst kümmern zu müssen und seine eigenen Entscheidungen treffen zu können, so gerne hätte ich manchmal auch jemanden an meiner Seite gehabt, mit dem ich all diese Schönheit unterwegs teilen und genießen konnte.
Ein romantisches Abendessen bei Kerzenschein am Meer.
Einen ganzen Tag aneinander gekuschelt unter einer Palme liegend verdösen, vom Rauschen der Wellen immer wieder eingelullt werden.
Spektakuläre Fotoshootings in der wunderschönen Natur durchführen.
Den Wolkenbruch dafür nutzen, Sex im heimeligen Himmelbett in der Bambushütte zu haben, während der Regen aufs Palmblätterdach prasselt.
Das alles natürlich vorzugsweise mit einem schönen Mädchen.
Der ein oder andere Leser mag sich nun vielleicht fragen, warum sich der Andi, dieser witzige, belesene, gut aussehende, gitarrespielende, teilerleuchtete und surfende Schriftsteller da bitteschön so angestellt hat? Liefen doch sicher genug kontaktfreudige Backpackerinnen in der Gegend herum?
Nun, das taten sie vielleicht tatsächlich, wenn sich unser liebeshungriger Möchtegern-Jack-Johnson an jenen Orten aufgehalten hätte, wo sich diese Backpackerinnen dann auch einfanden.
Tat er aber nicht, weil er ja immer auf der Suche nach den unberührten Paradiesen war.
Nach Oasen, an denen es sich gut schreiben lies und die Einheimischen noch nicht all zu sehr vom Tourismus versaut waren.
Nur lockten diese Plätze halt leider in den seltensten Fällen allein reisende Singledamen an, sondern in der Regel verliebte Pärchen oder ältere Leute, die allesamt keinen Bock auf Party und Trubel haben.
Auf den Philippinen gäbe es zum Beispiel eine bekannte Partyinsel, Boracay. Doch nein, es musste ja Siargao sein. Wieder mal am Ende der Welt. Und selbst das wohl im Vergleich zu Boracay noch entspannte General Luna war unserem Teilzeit-Aussteiger zu stressig.
Und jetzt beschwerte der sich.
Meine trübe Laune im Paradies entging den Australiern jedenfalls nicht und so nahmen sie mich fürsorglich in ihre Mitte auf. Ich philosophierte endlose Stunden mit Kathy und Peter, die mit Anfang sechzig immer noch surfend um die Welt reisen, sich lieben und das Leben genießen. Ich surfte und betrank mich danach mit Sam, dem australischen Barkeeper, und während er beim Pokerspiel verlor und wir dabei kistenweise Bier in uns kippten, erzählten wir uns gegenseitig von unseren gebrochenen Herzen. Und ich sang mir mit Monica und Chris und den einheimischen Angestellten des Bamboo Garden beim Karaoke die Seele aus dem Leib. Meine Spezialität war Rudolph the Rednosed Reindeer, ein Gassenhauer bei mitternächtlichen 30 Grad.
Kann ein Reiseziel also vielleicht zu schön sein? Geht das?
Vermutlich zeigte mir meine augenblickliche Unzufriedenheit eher, dass ich noch nicht in mir ruhte und ich nach dem Rockhill noch lange nicht übern Berg gewesen war. Ich hatte den Drang, mich ständig abzulenken, anstatt mich mit mir selbst und meinen Gedanken zu befassen. Der Müßiggang war mir mehr Plage denn Geschenk. Bei jeder schönen Bucht und jeder faszinierenden Gesteinsformation, die ich bei meinen Erkundungstouren entdeckte, reute es mich, dass ich kein Fotomodel zur Hand hatte. Anstatt einfach die Natur zu genießen. Wenn ich am Meer saß und schreiben wollte, glitten meine Gedanken hinaus zu den Wellen und umgekehrt.
Rebecca, die süße Yogalehrerin meinte eines Morgens nach der Yogastunde, dass der Sprung auf die nächste Schwingungsebene meist mit Unbehagen und dem Rühren an der Urangst einhergeht. Weil sich das Alte sträubt, loszulassen.
Oder vereinfacht gesagt: es ruckelt manchmal wenn das Leben in den nächsten Gang schaltet.
Trotzdem konnte es sicherlich nicht schaden, sich nochmals etwas Beistand zu holen. Ich hatte gehört, dass es weiter im Norden eine geheimnisvolle Insel namens Siquijor gab. Angeblich trauten sich die meisten Filipinos dort nicht hin, weil Hexen und Geisterbeschwörer ihr Unwesen trieben. Manche von ihnen praktizierten uralte Heilkunst und diese Schamanen lockten Neugierige und Verzweifelte aus der ganzen Welt an. Dort wollte ich hin. Und wenn mir auch keiner der Geistheiler meine Dämonen austreiben konnte, so taugte der Trip doch bestimmt für eine weitere, gute Geschichte…
Nutze doch das was da ist. Tolle Locations hast du. Frag doch einfach die Frauen, die dir begegnen (quasi vor die Linse laufen) wie die Yoga Lehrerin. Die haben bestimmt ein paar schicke Outfits und Ideen :-)
Da kommen bestimmt tolle und einzigartige Sachen bei raus. Na los