Wundersame Geschichten aus dem Reich der Mitte, Teil 3

24. 03. 2011 | Literarisches | 3 Kommentare

Wie ich einmal fünf Tage am Stück wachgeblieben bin.

Manchmal erlebte ich auf meinen Reisen so viele wundersame Dinge, das sich mir nachts, wenn ich eingemummelt in meinem weichen Seidenschlafsack lag1, kein rechter Schlaf einstellen wollte. Dann wälzte ich mich umher, lauschte den Geräuschen der Nacht und durchlebte alle meine Abenteuer von neuem. Allerdings ohne zu schlafen. Am darauffolgendem Tage war ich dann meist unglaublich müde und wollte gar nicht recht vorankommen. Da beschloss ich, einfach nicht mehr zu schlafen. Und allein der Gedanke, den Schlaf zu besiegen, beflügelte mich derart, dass ich los hüpfte wie ein frischgeborenes Fohlen auf der Weide und tatsächlich, am ersten Tag und in der ersten Nacht kam ich außerordentlich gut voran. Auch am zweiten Tag tat sich, abgesehen von einem merkwürdigem Zucken meines linken Augenlids, noch wenig. Nachts hielt ich nur zum Verrichten der Notdurft und zur Einnahme meiner köstlichen Jausen2, sonst schritt ich forsch voran.

Am dritten Tag begann ich um die Mittagszeit laut zu jodeln, hier in den hügeligen Ebenen, die ich zu der Zeit durchwanderte, gab es ein ganz famoses Echo, das meinen innbrünstigen Gesang weit vor mir hertrug. Gegen Abend, ich saß gerade auf einem großen Stein an einem friedlich dahinplätscherndem Flüßlein, hatte ich das Glück, eine Herde violetter Elefanten mit langen Hörnern beim Saufen und Säugen ihres Nachwuchs zu beobachten. Ich fertigte rasch ein Aquarell davon an, packte meine Sachen und wanderte weiter.

Die dritte Nacht ohne Schlaf war hell erleuchtet, funkelnde Sterne strahlten mit einem ziemlich forstem Mond um die Wette. Zudem wiesen mir neonfarben schimmernde Bienen, die auf den Rinden der Bäume herumkrabbelten, den Weg durch eine ausgedehnte Waldlandschaft, und exotische Grillen spielten klassische Weisen. Ich trommelte beim Gehen mit den Händen auf meine Oberschenkel, was einen recht beeindruckenden Beat ergab.

Am vierten Tag war der Himmel nicht mehr blau, sondern hatte trotz des schönen Wetters einen grünlichen Stich angenommen. Er verlief ein ums andere Mal mit dem Horizont, was mir die Orientierung ordentlich erschwerte, also reckte ich die Faust zum Himmel und rief: „Heda Himmel, reiss‘ Dich zusammen sonst setzt’s was!“ Da wechselte der Himmel schlagartig seine Farbe in ein dunkles Blau, blass-rote Blitze zerfetzten die Wolken und deren Blut übergoss mich bis es mir ganz unangenehm feucht im Schritt wurde. Ich suchte eine kleine Höhle auf, in der es sich bereits eine pelzige und mannsgroße zehnbeinige Spinne namens Bo-Sulin3 gemütlich gemacht hatte, mit der ich ein Tässchen Tee mit Zwieback zu mir nahm.

Nachdem ich immer noch keine Müdigkeit verspürte, verabschiedete ich mich mit dem Nachlassen des Unwetters von Bo-Sulin4 und wanderte durch die vierte schlaflose Nacht. Ich beschloss, zum Spaße an der Freude, eine Zeitlang rückwärts zu laufen, das ermöglichte mir, die beiden unförmigen Brüste, die ein Stück weit hinter mir aus dem Waldboden wuchsen, im Auge zu behalten. Immer wenn diese dachten, ich sähe gerade nicht hin, huschten sie rasch von einem Baum zum nächsten. Was ihnen jedoch nicht aufzufallen schien war, dass sie dabei ein merkwürdig quietschendes Geräusch verursachten. Wäre dieses Geräusch nicht gewesen, hätte ich ob der Umstände und eingedenk dessen in welchem Land ich mich befand, davon ausgehen müssen, dass es sich um sogenannte Ninja-Brüste handeln musste, eine recht gefährliche und hochspezialisierte Assassinen-Art.

Am fünften Tag schließlich bemerkte ich plötzlich, dass mein ganzer Körper zu glühen schien. In allen nur erdenklichen Farben! Ich entledigte mich meiner Kleidung und rannte wie ein fleischgewordener Regenbogen über die Felder, die Wälder hatte ich längst hinter mir gelassen. Ich fühlte mich frei wie nie zuvor in meinem Leben. Versuchsweiße begann ich zu hüpfen um zu überprüfen, wie es sich nun mit der Schwerkraft verhielte, und stellte voller Erstaunen fest, dass ich fliegen konnte! Wie ein chinesischer schmalbrüstiger Salamanderfreund5 segelte ich durch die Lüfte, spürte den warmen Wind am ganzen Körper und war wohl der erste fliegende Regenbogen, der seine Ellbogen mit der Zunge berühren konnte, und das im Fluge!

Als ich mich ausgetobt hatte, verspürte ich endlich den sehnlichen Wunsch, mich auszuruhen. Ich landete an einem weichem, moosigem Fleckchen im Schutz eines großen Bambus-Strauchs, bettete den Kopf auf einen flauschigen Pandabären und schlief drei Tage und drei Nächte, völlig traumlos.

Derart ausgeruht setzte ich meine Reise durch das idyllische Land fort und hatte seit diesem Erlebnis nie wieder Schwierigkeiten damit, einzuschlafen.

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  1. in dem ich übrigens wie eine zierliche Raupe aussah.
  2. Ein guter Jäger weiß genau, welche Steine das Umdrehen wert sind.
  3. Ein Doppelname. Bo-Sulins Eltern waren sich ewig uneinig über das Wetter und die Namen ihrer 2653 Kinder.
  4. Wir schworen uns Brieffreundschaft.
  5. Eine mittlerweile in China ausgestorbene Vogelart, die unseren Schwalben ähnelte. Der chinesische schmalbrüstige Salamanderfreund umgarnte seine Leibspeise, dicke rote Salamander, indem er sie beim Kartenspiel betrunken machte und dann fraß. Leider war er kein sehr guter Kartenspieler.

3 Kommentare

  1. Gerda

    …. und ??? Wo bleibt Teil 4
    oder brauchst dazu Kirschblütentee, dann besorg ich dir welchen.

  2. Andi

    Eigentlich gibts schon 3 weitere Teile, in einer Rohform zumindest. Allerdings muss das leider grad hinten anstehen, bis ich die Magisterarbeit des Todes los bin. Also spätestens morgen.

    Kirschblütentee brauch ich aber trotzdem.

Schreib was dazu!

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